Dahlhaus, Bernd

Was sich nicht gehört

Tabus und No-Gos im Instrumentalpädagogikberuf – ein Preisausschreiben für InstrumentalpädagogInnen

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , musikschule )) DIREKT, Seite 02

Wie fit sind Sie in Themen Ihres Berufs, über die häufig nicht oder nur ungern gesprochen wird? Die offiziell als Thema gar nicht vorkommen (sollen)? Über­prüfen Sie Ihre Einstellungen und gewinnen Sie mit Ihrer Teilnahme an unserem Preisausschreiben.

Kreuzen Sie zu den folgenden Beispielen die Antwortvorschläge an, von denen Sie denken, so sollte man sich als guter Musikpädagoge verhalten. Ziehen Sie in Betracht, dass es im menschlichen Leben wie auch im Berufsleben von MusikpädagogInnen möglicherweise manchmal kein „richtig oder falsch“ gibt, dass manchmal mehrere Antworten und manchmal vielleicht auch keine Antwort passt. In diesem Fall ergänzen Sie eine eigene Antwort!

1. Sie hören mehrfach, dass im Nebenraum eine Kollegin in ihrem JeKi-Keyboardunter­richt die Kinder anschreit und beschämt.
a) Ich versetze mich in die Kinder hinein und überlege, was ich mir als Kind von meinem Musiklehrer wünschen würde, und reflektiere meinen eigenen Unterrichtsstil.
b) Insgeheim bewundere ich die Kollegin dafür, dass sie ihre Gefühle offen zeigt.
c) Ich spreche die Kollegin verständnisvoll und wohlwollend an. Je nach Reaktion schlage ich ihr vor, dass wir uns zukünftig gegenseitig fachlich unterstützen könnten.

2. Sie lieben es, Ihr Mittagessen häufig und reichlich mit Knoblauch (oder anderen Ge­würzen mit ähnlich intensiver Geruchswirkung) zu würzen und sehen wirklich kein Problem darin, anschließend zu unterrichten.
a) Ich verweise im Kollegium darauf, dass ich nun mal gern Knoblauch esse und nicht ständig Rücksicht auf die SchülerInnen nehmen kann.
b) Ich bitte gelegentlich eine mit mir befreundete Kollegin um eine ehrliche Rückmeldung über einen eventuell unangenehmen Geruch und verändere meine Würzgewohnheiten entsprechend.
c) Ich überdecke den Geruch mit Kaugummi oder einem nicht zu teuren Parfüm.

3. Es fällt Ihnen deutlich leichter, nach dem Genuss von zwei bis drei Flaschen Bier oder einer Flasche Wein zu unterrichten und dies mehrmals pro Woche. Darauf von einer Kollegin angesprochen,…
a) …verweise ich auf meine hohe Unterrichtsqualität und die erfolgreichen SchülerInnen.
b) …wird mir bewusst, dass ich ein ernsthaftes Problem habe, und suche mir professionelle Hilfe.
c) …biete ich ihr auch etwas zu trinken an.

4. Eine Schülerin sagt kurzfristig ihre Unterrichtsstunde ab und Sie könnten die nun freien 45 Minuten zum Üben für eine anstehende Mugge nutzen.
a) Ich übe grundsätzlich nicht in der Musikschule, weil ich meine KollegInnen bei zukünftigen Lehrerkonzerten weiterhin mit meinen Fähigkeiten überraschen will.
b) Im Kollegium weiß sowieso jeder, was die anderen „draufhaben“. Außerdem stehe ich zu dem, was ich (nicht) kann, da finde ich es einfach clever, gerade unter diesen Bedingungen die Zeit zum Üben zu nutzen.
c) Ich nutze die Freistunde sinnvoll, indem ich im Lehrerzimmer am Computer meinen nächsten Urlaub im Internet recherchiere.

5. Ein Saxofonlehrer sagt als Musikschulhonorarkraft vertragswidrig eigenmächtig Unterrichtsstunden mit der erfundenen Begründung ab, er sei krank, und lässt sich diese Stunden bezahlen.
a) Ich finde das richtig so, wir müssen alle sehen, wo wir bleiben!
b) Ich überlege, aus welchem tieferliegenden Bedürfnis heraus der Kollege so handelt.
c) Für mich ist klar: Der Kollege ist für die Musikschule untragbar und muss sofort gekündigt werden!

6. Als Instrumentalpädagoge im besten Alter entwickeln Sie heftige erotische Fantasien bezüglich einer 16-jährigen (oder je nach Geschmack einer 52-jährigen verheirateten) Schülerin und es könnte sein, dass irgendetwas in Ihnen die Fantasien sogar Wirklichkeit werden lassen will.
a) Ich lasse es drauf ankommen.
b) Ich stelle mir ausführlich vor, welche Folgen das für die Schülerin und für mich haben wird.
c) Ich übernehme Selbstverantwortung, hinterfrage meinen Bedürfnishaushalt und spreche mit einer Vertrauensperson darüber.

7. Sie bemerken als Anfang fünfzigjähriger Geiger, dass Ihre körperlichen und mentalen Kräfte beim Musizieren in den vergangenen fünf Jahren deutlich hörbar abgenommen haben.
a) Ich weiß aus Erfahrung, dass der Musikschulleiter immer ein offenes Ohr hat, dass Vertrauen im Team für ihn das Wichtigste ist. Deshalb bitte ich ihn um ein Gespräch, seine Einschätzung und Ideen für mögliche Lösungsansätze.
b) Ich überlege mir, was meine weiteren Stärken sind, und suche mir hierfür entsprechende Einsatzgebiete in der Musikschularbeit.
c) Ich überlege, wie ich meine Fähigkeiten wieder reaktivieren kann, wo ich neuen Input bekommen könnte, nehme vielleicht sogar wieder Unterricht.

8. Eine Querflötenlehrerin verlässt häufig die Unterrichtsstunden zum angeblich dringenden Telefonieren, Notenkopieren, Händewaschen.
a) Das sind alles wichtige Tätigkeiten, die zur professionellen Ausübung des Instrumentallehrerberufs gehören.
b) Ich vermute, die Kollegin hält es eben manchmal mit den SchülerInnen nicht mehr aus. Wahrscheinlich fühlt sie sich dann entweder genervt, unter- oder überfordert und als Lehrerin vom Schüler nicht ernst genommen und muss dann einfach raus, um runterzufahren und auf andere Gedanken zu kommen.
c) Wann sollen wir Instrumentallehrer das sonst machen? Wären die Arbeitsbedingungen besser, bräuchten wir diese Dinge nicht während des Unterrichts zu tun und könnten die ganze Unterrichtsstunde über für die SchülerInnen da sein.

9. Sie finden als hübsche Geigenlehrerin Anfang 30 ihren begabten Schüler Anfang 20 sehr attraktiv („richtig süß“) und flirten absichtlich und heftig mit ihm im Unterricht.
a) Na ja, ich find’s schon toll, wenn ich solche Wirkung auf Männer habe, das tut einfach gut.
b) Zu einer wirklich künstlerischen Ausbildung des Schülers gehören diese zwischenmenschlichen Lernerfahrungen ganz wesentlich dazu.
c) Ich frage mich in einer ruhigen Minute, warum ich eigentlich so bedürftig bin, was mir eigentlich fehlt (Anerkennung, begehrenswert sein…).

10. Sie erfahren, dass ein Schüler einer Honorarkraft aus Ihrem Kollegium den Musikschulunterricht gekündigt hat und nun bei demselben Lehrer in derselben Stadt Privatunterricht nimmt.
a) Ich vermute und kann verstehen, dass der Kollege lieber zu einem höheren Honorar unterrichten möchte.
b) Ich schwärze den Kollegen für die Abwerbung bei der Musikschulleitung an.
c) Ich biete meinen Musikschulschülern auch Privatunterricht an.

11. Ein Blechbläserkollege schlägt Ihnen vor, mit einigen Kollegen eine methodisch-didaktische Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, und fragt, ob er in diesem Zusammenhang auch in Ihrem Unterricht hospitieren dürfe.
a) Ich lehne die Anfrage ab wahlweise mit der Begründung, die Schülereltern seien mit fremden Personen im Unterricht nicht einverstanden oder der Begründung, das sei wegen einer wichtigen Vorspielvorbereitung momentan ganz ungünstig.
b) Ich freue mich ehrlich über die Gelegenheit, mich kollegial über meinen Unterricht und bestimmte („Problem“-)SchülerInnen oder „schwierige“ Gruppen auszutauschen und neue Anregungen zu bekommen.
c) Ich sage zu, schlafe anschließend mehrere Nächte schlecht und melde mich am Tag des Unterrichtsbesuchs krank.

12. Im Musikschulkollegium sind bestimmte Pflichtversäumnisse und Probleme von Lehrkräften allgemein bekannt, trotzdem ist nicht erkennbar, dass der Musikschulleiter seiner Personalfürsorgepflicht bzw. seiner Personalführungsverantwortung nachkommt.
a) Ich nutze die Passivität des Leiters und lege meine Mitarbeiterpflichten flexibel aus, beispielsweise bei meiner Konferenz­anwesenheit oder bei meinem sonstigen Engagement in der Musikschularbeit.
b) Weil sich der Leiter sowieso nicht wirklich für die Mitarbeiter interessiert oder gerade bei schwierigen Themen persönlich für sie einsetzt und weil sich im Team sowieso jeder selbst der nächste ist, überführe ich Musikschulmaterialien wie beispielsweise Notenständer, Kopierpapier oder den Papierlocher in mein privates Eigentum.
c) Ich tausche mich mit anderen KollegInnen aus, bitte gemeinsam mit einem Kollegen oder einer Kollegin um ein Gespräch mit der Leitung und erkunde aus einer dialogischen Haltung heraus die Hintergründe.

13. In einer Pause auf einer Fortbildungsveranstaltung kommen Sie im Austausch mit KollegInnen auf das Thema „Tabus und No-Gos im Instrumentalunterricht“ zu sprechen.
a) Ich weise entrüstet von mir, dass es so etwas in meinem Arbeitsumfeld gibt.
b) Ich werbe für eine wertschätzende Haltung im Miteinander, dafür, solche Themen achtsam, mehrperspektivisch und ohne vorschnelle und einseitige Bewertungen zu besprechen.
c) Nach anfänglicher Zurückhaltung beteilige ich mich intensiv am Gespräch mit Geschichten über Schwächen, Eitelkeiten und Animositäten meiner KollegInnen.

14. In musikschule )) DIREKT lesen Sie ein Preisausschreiben zum Thema „Tabus und No-Gos im Instrumentalpädagogikberuf“.
a) Ich bin hin- und hergerissen zwischen Schmunzeln und Entsetzen – dann vergesse ich den Text möglichst schnell.
b) Ich denke in nächster Zeit über meine Sichtweise zu den Themen genauer nach.
c) Ich pinne den Artikel an das Schwarze Brett im Lehrerzimmer, gebe so den KollegInnen auch die Chance, am Preisausschreiben teilzunehmen, und trage vielleicht durch die entstehende Diskussion im Team zur Verbesserung des Betriebsklimas und (dadurch) zur Verbesserung meiner eigenen Berufszufriedenheit bei.