Simon, Jürgen

Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit

Kommentar

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2015 , musikschule )) DIREKT, Seite 01

Kultur ist das, was eine Gesellschaft ausmacht. Darum scheint es gerechtfertigt, wenn sich zahlreiche Kulturverbände für Ausnahmen für Kunst- und Kultureinrichtungen bei den aktuell verhandelten Handelsabkommen CETA, TTIP und TISA stark machen. Doch ist dieser Ansatz bei genauer Betrachtung viel zu kurz gesprungen, denn: Was ist mit all den anderen kulturellen Errungenschaften, die eine Gesellschaft ausmachen?

Was ist mit unserer Esskultur? Wollen wir wirklich internationale Konzerne darüber bestimmen lassen, was wir künftig essen? Was ist mit der Kultur der Arbeitnehmermitbestimmung? Wollen wir diese Errungenschaft einschränken, weil irgend­jemand sie zu einem Handelshemmnis erklärt? Und was ist mit unserer demokratischen Kultur? Zu dieser Kultur gehört, dass gewählte Regierungen Entscheidungen treffen, aber auch, dass sie getroffene Entscheidungen – einerlei, ob die eigenen oder die von Vorgängerregierungen – revidieren. Gerade das Revidieren von Entscheidungen aber wird durch die Handelsverträge wirkungsvoll verhindert, wie ­aktuell an der Klage von Vattenfall gegen den Atomausstieg zu sehen ist. Sind wir wirklich bereit, auf diese und viele andere kulturelle Errungenschaften zu ver­zichten?

Es wird sicherlich nicht leicht, sich gegen den ungeheuren Lobbydruck zu stellen. Und wie groß der Druck der Lobbyisten ist, lässt sich ermessen, wenn man bedenkt, dass bereits kurze Zeit nach dem Beschluss des SPD-Parteitags, für TTIP keine Schiedsgerichte zu akzeptieren, der SPD-Vorsitzende Siegmar Gabriel erklärte, dass man sie wohl zumindest für CETA doch akzeptieren werde.

Es waren in allen Zeiten Künstler und Kulturschaffende, die sich für Freiheit und Demokratie engagiert haben. Auch heute sollten wir Kulturschaffenden wieder vorangehen und unser aller Lebenskultur verteidigen. Da ist es ein deprimierendes Zeichen, wenn zahlreiche Kulturverbände nur um ihre Pfründe besorgt sind, indem sie sich für Ausnahmeregelungen für vor allem öffentlich finanzierte Kulturinstitutionen stark machen und damit zum Ausdruck bringen, dass sie CETA, TTIP und TISA in allen anderen Bereichen akzeptieren.

Wenn wir Kulturschaffenden wirklich unsere Lebenskultur und unsere Wertvorstellungen retten wollen, müssen wir uns in die vorderste Reihe stellen und deutlich machen, dass wir derart undurchsichtige und undemokratische Geheimverträge grundsätzlich und unter allen Umständen ablehnen.