Bossen, Anja

„Du müsstest hier aber mal aufräumen“

Überlegungen zur Gestaltung von Unterrichtsräumen

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 4/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 02

Bereits als Studentin unterrichtete ich an einer Berliner Musikschule. Doch da diese schon damals unter akuter Raumnot litt, war ich gezwungen, zuhause zu unterrichten – in meiner eng begrenzten Studentenbude. Dort war es nicht immer ordentlich: Bücherstapel, angefangene Seminararbeiten, Noten und CDs bedeckten den Großteil der Ablageflächen. Meine Schülerinnen und Schüler, die ich einzeln in meiner Wohnung empfing, hatten nicht sehr viel Platz, um ihr Instrument und ihre Noten irgendwo abzulegen. Meist diente mein Sofa als Ablagefläche für die Instrumentenkästen. Vor dem Sofa, neben meinem Klavier, baute ich einen Notenständer auf. Natürlich räumte ich benutztes Geschirr weg, wischte Staub und putzte auch das Bad vor einem Unterrichtsnachmittag. Die Akustik war so, wie man sie in einem mit Teppich und Möbeln vollgestopften Raum erwarten kann: staubtrocken.

Verschiedene ­Raumerfahrungen

Damals machte ich mir keinerlei Gedanken darüber, wie mein als Unterrichtsraum genutztes Wohnzimmer wohl auf meine Schüler wirken könnte. Ich dachte auch nicht darüber nach, was der Unterrichtsraum eigentlich über meine Person aussagen könnte und was die Schüler wohl aufgrund der vorgefundenen Raumverhältnisse über mich denken würden. Die Einrichtung von Unterrichtsräumen war in meinem Musikstudium kein Thema. Offenbar gingen die Dozenten davon aus, dass man als Instrumentalpädagogin selbstverständlich einen angemessenen Raum von der Musikschule zur Verfügung gestellt bekäme, oder sie hielten die Gestaltung eines Unterrichtsraums für den Instrumental­unterricht schlichtweg für überflüssig.
Eines Tages jedoch sagte mein siebenjähriger Schüler Dirk mit in die Seiten gestemmten Armen zu mir: „Hier ist es aber unordentlich! Also, ich glaube, du müsstest hier aber mal aufräumen.“ Nach diesem Satz machte ich mir zum ersten Mal Gedanken über meinen Unterrichtsraum – und räumte auf!
Wenig später unterrichtete ich in einem Klassenraum einer Grundschule, eine in Berlin weit verbreitete Praxis. Der Klassenraum war riesig und komplett mit einem abgetretenen, nach Fußschweiß stinkenden Teppichboden ausgestattet. Die Fenster konnte man nur kippen und nicht ganz öffnen, was sich nicht nur wegen des Geruchs, sondern auch wegen der angestauten Hitze im Sommer als äußerst negativ erwies. Einen Sonnenschutz gab es auch nicht. Jede Woche musste ich Tische und Stühle zur Seite schieben und einen oder zwei (selbst mitgebrachte) Notenständer aufbauen. Wollte ich das glück­licherweise vorhandene Klavier nutzen (dieses Glück haben nur wenige Berliner Musikschullehrkräfte), das ganz hinten an einer Wand stand, mussten meine Schüler sich in eine Nische zwischen Schrank und Klavier klemmen, da sie sonst hinter mir hätten stehen müssen, wenn ich sie am Klavier begleitete, von wo aus ich aber keinen Sichtkontakt zu ihnen gehabt hätte.
Die Nutzung von Klassenräumen als Unterrichtsräume für Instrumentalunterricht ist eine bundesweit verbreitete Praxis, wie sie z. B. sehr eingehend im Film JeKi – ein Jahr mit 4 Tönen von Oliver Rauch gezeigt wird: Der Gitarrenlehrer baut in einer Ecke zwischen Waschbecken, Tafel, Schrank und Tischen mit hochgestellten Stühlen seine mitgebrachten Notenständer auf. Die Kinder sitzen im Halbkreis in dieser Ecke des Raums, Platz zum Bewegen gibt es nicht. Der Raum ist vollgehängt mit Bildern, ein typischer Klassenraum eben, nicht auf die Bedürfnisse von Instrumentallehrkräften ausgelegt, die in Schulen allenfalls „zu Gast“ sein dürfen.
Später unterrichtete ich im Musikschul­gebäude in einem Raum, den ich mir mit mehreren Kolleginnen und Kollegen teilte (jeder an einem anderen Tag). Er war schlauchartig geschnitten, klein, akustisch sehr trocken, ausgestattet mit seit mindestens 30 Jahren nicht gewaschenen moosgrünen Gardinen aus den 1970er Jahren, abgetretenem Linoleumboden und einer aus Neonröhren bestehenden, schlechten Beleuchtung.
Irgendwie musste es eben gehen, denn ich konnte es mir nicht leisten, einen Unterrichtsraum mit besseren Bedingungen privat zu mieten. Aus heutiger Sicht jedoch stelle ich mir die Frage, welche Einflüsse die beschriebenen Bedingungen wohl auf die Wahrnehmung, die Emotion und das musikalische Lern­ergebnis meiner Schülerinnen und Schüler hatten.

Welche pädagogische ­Bedeutung hat der Raum?

Hat der Unterrichtsraum überhaupt einen Einfluss auf die Schüler und deren Lern­ergebnis? Diese Auffassung ist heute in der Erziehungswissenschaft unumstritten. Aus der Reggio-Kindergarten-Pädagogik stammt der Begriff vom Unterrichtsraum „als drittem Pädagogen“. Er soll den Kindern zum einen Geborgenheit (Bezug) geben und zum anderen Herausforderungen im Sinne einer Stimulation bieten. „Eine harmonisch gestaltete Umgebung, die unterschiedliche Unterrichtsformen zulässt, die Bedürfnisse der Nutzer berücksichtigt und an deren Gestaltung die Nutzer beteiligt wurden, stärkt nicht nur das Wohlbefinden, sondern kann auch die Gesundheit der Lehrenden und Lernenden fördern. So werden aus Lernräumen Lebensräume für die Zukunft.“ So zu lesen in der Broschüre Das Lernfördernde Klassenzimmer, die vom Bayerischen Gemeindeunfallversiche­rungs­verband und der Bayerischen Landesunfallkasse mit Unterstützung der Bertelsmann-Stiftung als „Handlungsanleitung für Planer, Schulleiter und Lehrkräfte“ ­he­rausgegeben wurde.
Aber vollziehen sich musikalische Bildungsprozesse nicht auch in staubigen Hüt­ten irgendwo in Afrika oder in Räumen mit abblätterndem Putz wie in Venezuelas „El Sistema“? In einer internationalen ­empirischen Untersuchung zur Qualität künstlerischer Bildung von Anne Bamford aus dem Jahr 2010 (siehe Kasten „Literatur“) erwies sich die Lernumgebung zwar nicht als der wichtigste Faktor für das Lernergebnis; andere Faktoren, allen voran die Persönlichkeit und das methodisch-­didaktische Vorgehen der Lehrkraft, erwiesen sich als wichtiger. Dennoch weist Bamford darauf hin, dass, auch wenn Lehrkräfte unter schwierigen Raumbedingungen arbeiten und dabei teils beeindruckende Ergebnisse künstlerischer Bildung erzielen, dies keineswegs eine gute Lösung ist und für die Lehrkräfte eine große Belastung darstellt. Für Bamford gehören daher zu einem guten Programm künstle­rischer Bildung auch gut ausgestattete ­Unterrichtsräume als Bestandteil günstiger äußerer Bedingungen. Und nur bei günstigen äußeren Bedingungen können künst­lerische Programme eine hohe Bildungsqualität erreichen.
Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass sich Raumstandards nach den in einem Land üblichen Raumverhältnissen richten: Wenn der größte Teil der Bevölkerung in Lehmhütten lebt, dies also die herrschende Normalität ist, wird auch ein ärmlich ausgestatteter Unterrichtsraum mit bröckelndem Putz weniger störend ins Gewicht fallen als in einem reichen Land wie Deutschland, in dem der Wohnstandard erheblich höher ist. Musik kann sich zwar überall ereignen. Aber ein optimal gestalteter Raum kann dazu beitragen, dass nicht irgendein, sondern das bestmögliche Ergebnis erzielt wird.
Bedenkt man, dass – wie die Lernforschung uns lehrt – Emotion, Motivation und Lernen eng zusammenhängen, so scheint die Gestaltung des Unterrichtsraums, wenn auch nicht der wichtigste Lernfaktor, zumindest auch nicht unerheblich zu sein. Hermann Rauhe meinte dazu 2003: „Die Lust am Lernen wird nicht nur durch das Lernen und Üben im Flow gefördert, sondern auch durch die Schaffung kreativer Bedingungen wie z. B. motivierender Unterrichtsräume, deren Raumgestaltung, Licht, Farbgestaltung und Mobiliar nach lernbiologischen und motivationspsychologischen Gesichtspunkten erfolgt.“ Und Alfred Holzbrecher von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg schlägt für den Bereich der allgemein bildenden Schule vor, Unterrichtsräume so zu gestalten, dass die Art der Gestaltung und die verwendeten Materialien den Menschen wertschätzen. Licht und Farbe sollen als wichtige Gestaltungselemente eingesetzt, Akustik, Luft und Raumklima berücksichtigt werden. „Die Räume haben ein Ambiente, das umhüllt und gleichzeitig frei lässt.“ (siehe Kasten „Literatur“)

Faktoren der Raumgestaltung

Zur Gestaltung von Lernsituationen in einem Raum tragen Faktoren bei, die in verschiedenem Ausmaß und situationsabhängig (je nachdem, wo man unterrichtet) beeinflussbar sind:

– Raumgröße: Während man sich in einem sehr kleinen Unterrichtsraum beengt fühlt, kann in einem sehr großen Raum das Gegenteil der Fall sein: Man fühlt sich „verloren“.
Unterrichtet man z. B. in einem Klassenraum im Einzelunterricht, so kann man die vorhandenen Möbel dazu benutzen, die Raumfläche anders aufzuteilen und sich kleinere Ecken oder Nischen zu schaffen.

– Farbgestaltung: Eine freundliche Farbgestaltung kann das Wohlbefinden von Lehrkräften und SchülerInnen verbessern und wirkt durch Reflexionen auch zurück auf die Lichtverhältnisse. Dabei sollte Farbe jedoch mit Maß und gezielt eingesetzt werden, um nicht erdrückend zu wirken. In der Farbpsychologie werden den Farben verschiedene Wirkungen zugeschrieben. Blau hat z. B. auf die meisten Menschen eine eher kühle Ausstrahlung, wohingegen Farben wie Orange und Gelb für eine positive, freundliche, gelöste Atmosphäre stehen. Hinweise zur Farbgestaltung von Unterrichtsräumen finden sich unter www.sichere-schule.de/klassenraum/lernraeume/ farbgestaltung/02.htm.

– Akustik: Je größer, höher und weniger mit Stoff ausgelegt, desto überakustischer ist ein Raum. Die Akustik kann man vor allem durch das Anbringen (oder Entfernen) von Teppichen, Vorhängen und Polstermöbeln beeinflussen. Auch Zimmerpflanzen haben schallschluckende Eigenschaften.

– Lichtverhältnisse: Sowohl eine zu dunkle Beleuchtung, die ein Lesen von Noten mühsam macht, als auch eine grelle, blendende Beleuchtung ist von Nachteil. Es ist außerdem zu bedenken, dass die Lichtverhältnisse auch von der Wandfarbe abhängen. Bei zu dunkler Beleuchtung kann das Anbringen von Pultleuchten hilfreich sein, die man auch ohne großen Aufwand transportieren kann. Mittlerweile gibt es sehr leichte LED-Pultleuchten, die sowohl mit Batterien als auch mittels Netzteil betrieben werden können – wobei vom Batteriebetrieb aus Kosten- und Umweltgründen eher abzuraten ist.

– Platzverhältnisse: Neben der Fläche, an der man sich mit den Schülern aufhält, ist zu bedenken, dass es auch sichere (!) Ablageflächen für Instrumentenkästen, Platz zum Bewegen, möglicherweise einen Platz am Klavier usw. geben sollte.

– Raumklima: Dass frische Luft einen positiven Einfluss auf das Lernen hat, ist unumstritten. Allerdings gibt es wie oben beschrieben Räume, in denen die Fenster nicht ausreichend weit geöffnet werden können. In einigen Räumen mit anhaltend schlechtem Geruch, wie er z. B. von Teppichböden in Schulen ausgehen kann, könnte man eine Verbesserung jedoch nur erzielen, indem man das Fenster stundenlang öffnet, was aber zumindest im Winter und auch mit Rücksicht auf die umliegenden Anwohner sehr problematisch sein kann.
Zimmerpflanzen können sich positiv auf die Raumluft auswirken, indem sie Schadstoffe aufnehmen, Feuchtigkeit in die Luft abgeben und staubbindend wirken, was auch für Allergiker von Vorteil sein kann. Die Pflanzen sollten allerdings pflegeleicht sein und keine Stacheln oder scharfen Kanten haben. Bei der Auswahl ist außerdem zu bedenken, ob die Pflanzen viel Licht oder eher Schatten benötigen und ob man sich oft genug in dem Raum aufhält, um sie regelmäßig zu gießen und zu pflegen.

– Mobiliar und Einrichtungsgegenstände: Dazu gehören neben dem eigentlichen Mobiliar wie Stühle, Sofas oder Tische auch Accessoires wie Bilder, Poster, Blumentöpfe, Kerzenleuchter usw. Hier ist zu überlegen, wie viel von seinem persönlichen Geschmack man preisgeben möchte, und ob man musikbezogene Gegenstände wie Bilder von Komponisten oder Instrumenten, Regale mit Musikzubehör, Musikbüchern und -spielen o. Ä. einbeziehen möchte, also Gegenstände, die zum Fragen oder Untersuchen einladen.
Möglicherweise können Bilder aber auch zu Ablehnungsgefühlen führen, sodass in Raumkonzepten für Schulen von Bildern abgeraten wird. Stattdessen sollten Wände in freundlichen Farben oder auch mit Strukturen gestaltet werden. Die Einrichtung wird sich auch nach der zu unterrichtenden Altersgruppe richten: Je jünger die Schülerinnen und Schüler, desto mehr Gegenstände zum Ausprobieren und Erforschen können einbezogen werden. Dabei muss aber bedacht werden, dass die Lernumgebung nicht zu viele Reize bieten sollte, was vor allem für Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen und Konzentrationsschwierigkeiten problematisch sein kann.

Welche Faktoren man überhaupt und mit welchem finanziellen und zeitlichen Aufwand beeinflussen kann, hängt in hohem Maß davon ab, ob man einen Klassenraum an einer allgemein bildenden Schule, einen musikschuleigenen Raum (allein oder mit mehreren KollegInnen gemeinsam) oder einen privaten Raum nutzt.

Handlungsmöglichkeiten für den Unterricht an Schulen

Der Zustand vieler Schulräume ist bekannt – allerdings gibt es große Unterschiede zwischen Schulen. Dennoch bleibt ein Klassenraum ein Raum, der für die Erfordernisse von Klassenunterricht und nicht für die des Instrumentalunterrichts ausgelegt ist. Werden Räume der allgemein bildenden Schulen von Instrumentallehrkräften mit genutzt, hat die Nutzung und damit die Gestaltung durch die LehrerInnen der Schule in der Regel den Vorrang. Meistens haben die Instrumentalpädagogen hier lediglich einen „Gaststatus“. Dennoch könnte sich ein Gespräch zwischen den Lehrkräften der Schule und der Musikschule über eine gemeinsame Raumgestaltung lohnen.
Aber selbst bei „gegebenen“ Verhältnissen und ohne Absprache mit der Klassenlehrkraft der allgemein bildenden Schule kann man kleine Dinge selbst beeinflussen. So bietet es sich an, so rechtzeitig vor Unterrichtsbeginn zu kommen, dass man lüften und hochgestellte Stühle von den Tischen nehmen kann. Man kann den Raum durch das Umstellen von Tischen und Stühlen anders aufteilen (z. B. eine freie Fläche zum Bewegen schaffen). Klaviere haben oftmals Rollen und lassen sich dann ebenfalls umstellen, notfalls mit Hilfe des ersten Schülers. Eine unzureichende oder allzu helle Beleuchtung kann man durch das Anbringen von Pultleuchten verbessern.
Bietet der Raum zu viele Möglichkeiten zur Ablenkung, beispielsweise durch Bücherregale mit attraktiven Büchern oder Spielzeugkisten, empfiehlt es sich, diesen Bereich durch das Ziehen einer deutlich sichtbaren „Grenze“, z. B. mit Tischen und Stühlen, abzuteilen und den Unterricht nur auf einer definierten Fläche durchzuführen. Findet der Unterricht in einem Musikraum statt, kann das Eingrenzen auch hilfreich sein, um die Schüler von den dort gelagerten Instrumenten fernzuhalten, die oft sehr verlockend sind.

Handlungsmöglichkeiten für den Unterricht an Musikschulen

Nur an wenigen Musikschulen scheint die Gestaltung der Unterrichtsräume wie von Hermann Rauhe gefordert nach „lernbiologischen und motivationspsychologischen Gesichtspunkten“ zu erfolgen. An Musikschulen mit vielen festangestellten Lehrkräften, die in Vollzeit arbeiten (davon gibt es allerdings immer weniger), verfügen diese manchmal über einen Raum, den nur sie nutzen. Für diese Lehrkräfte ist die Raumgestaltung natürlich am leichtesten, da sie ihn speziell für ihre individuellen Bedürfnisse und mit dem Aufwand einrichten können, den sie allein für angemessen halten.
Oft aber müssen mehrere KollegInnen denselben Raum an verschiedenen Tagen nutzen. Hier ist es sinnvoll, gemeinsam zu überlegen, wie der Raum so eingerichtet werden kann, dass er für alle Beteiligten die bestmöglichen Bedingungen erfüllt, und das mit einem vertretbaren zeitlichen und finanziellen Aufwand. Oft sind es einfache Dinge wie z. B. die Absprache, zu dritt einen gemeinsamen CD-Player zu nutzen, statt dass jeder einen eigenen CD-Player im Raum deponiert oder jede Woche mitbringt. Auch Musik-Lernspiele oder andere Medien können in einer gemeinsam aufgebauten Mediathek von allen Beteiligten genutzt und auch Absprachen über die Wanddekoration getroffen werden.

Handlungsmöglichkeiten für den Unterricht zuhause

Instrumentallehrkräfte, die zuhause in einem separaten, nur zum Unterrichten vorgesehenen Raum unterrichten, haben sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten und den Vorteil, dass sie diesen Raum rein funktional einrichten können, ohne viel über sich und ihren Privatbereich preiszugeben. Prob­lematischer ist es, wenn ein bewohnter Raum, z. B. das Wohnzimmer, zum Unterrichten genutzt wird. Dies ist jedoch für viele Lehrkräfte, die sich einen separaten Unterrichtsraum finanziell nicht leisten können, die Realität. So gibt man zwangsläufig mehr über seinen Geschmack und seine Persönlichkeit preis, als dies mit einem rein funktionalen Raum der Fall wäre. Man hat aber auch die Möglichkeit, Dinge eigens zum Zweck des Unterrichtens gegenüber der sonstigen Nutzung zu verändern. Beispielsweise ist es möglich, zusätzliche Lichtquellen (Klemmlampen oder Pultleuchten) anzubringen, die Temperatur selbst zu regeln oder bei großer Hitze einen Ventilator aufzustellen und für ausreichend frische Luft zu sorgen. Persönliche Dinge sollten weggeräumt werden. Möbel können vorübergehend gerückt oder entfernt werden, um den Raum anders aufzuteilen.

Raumgestaltung als Aufgabe des Arbeitgebers

Das „Aufhübschen“ eines Unterrichtsraums kann nicht allein den Musikschullehrkräften aufgebürdet werden. Für einen angemessenen Unterrichtsraum zu sorgen, obliegt vor allem dem Arbeitgeber. Mit dem seit Jahren wiederholten Argument der „leeren Kassen“ gestaltet es sich jedoch für immer mehr Lehrkräfte vor allem an öffentlichen Schulen und Musikschulen zunehmend schwierig bis unmöglich, einen auch nur einigermaßen ansprechenden Unterrichtsraum zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der öffent­liche Raum als solcher, und mit ihm die Unterrichtsäume an Schulen und Musikschulen, verfällt zusehends. Oft scheint sich der desolate Zustand eines Gebäudes auch im Arbeitsklima einer Musikschule oder Schu­le widerzuspiegeln – kein Wunder, denn in einem Gebäude, in dem es schon beim ­Betreten nach nicht gereinigter Toilette stinkt und in dem vor 40 Jahren zum letzten Mal frische Farbe an die Wände gebracht wurde, fühlt man sich nicht willkommen und wertgeschätzt – weder als Lehrer noch als Schüler.
Problematisch ist auch, dass viele Lehrkräfte allgemein bildender Schulen nur widerwillig „ihre“ Räume mit Lehrkräften von Musikschulen teilen. Obwohl mittlerweile viele Musikschullehrkräfte als wichtiger Bestandteil des Ganztagsbetriebs angesehen werden, wird ihnen oft nicht einmal ein eigener abschließbarer Schrank, geschweige denn ein Mitspracherecht an der Raumgestaltung zugesprochen. Hier muss noch viel Pionierarbeit geleistet werden. Dabei kann es sehr hilfreich sein, sich direkt an die Schulleitung zu wenden, um auch auf der Führungsebene überhaupt erst einmal ein Problembewusstsein zu schaffen.
Zwischen Erzieherinnen und Lehrerinnen hat sich in den vergangenen Jahren schon viel bewegt. Instrumentallehrkräfte, die an Schulen unterrichten, können nur dann eine optimale Arbeit leisten, wenn sie nicht als Fremdkörper, sondern als Bereicherung auf gleicher Augenhöhe wahrgenommen werden. Das müssen jedoch auch die Musikschullehrkräfte einfordern, statt sich mit der Kammer in der letzten Ecke einer Schule zufriedenzugeben.

 

Literatur
– Anne Bamford: Der Wow-Faktor. Eine weltweite Analyse der Qualität künstlerischer Bildung, Waxmann, Münster 2010
– Alfred Holzbrecher: Der Raum als „dritter Pädagoge“. Schularchitektur und Lernkultur, www.ph-freiburg.de/fileadmin/dateien/fakultaet1/ew/ew1/Personen/holzbrecher/8.Holzbrecher_Schularchitektur.pdf, 2012
– Hermann Rauhe: Just for fun. Musikschule voll Vergnügen, Referat auf dem Musik­schulkongress des VdM 2003, www.musikschulen.de/medien/doks/mk03/referat_ plenum2.pdf