Spiekermann, Reinhild

Haben Sie vorgesorgt?

Soziale Absicherung und Versicherungen für freiberufliche Instrumentallehrkräfte

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 4/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 10

Im fünften und vorletzten Beitrag unserer Serie zur Selbstständigkeit von InstrumentalpädagogInnen geht es um das wichtige Thema „Soziale Absicherung“.

Wenn Sie sich vier Minuten Zeit nehmen und auf YouTube anschauen, wie dort das Thema „Gesetzliche Sozialversicherung“ erklärt wird (www.youtube.com/ watch?v=Si2GALRVqsI), dann könnten Sie den Eindruck gewinnen, ein überschaubares Thema vor sich zu haben. Für den festangestellten Musikschullehrer in Vollzeit mag dies zutreffen, für die selbstständige Lehrkraft, den Patchworker oder die Berufseinsteigerin ist die Frage nach sozialer Absicherung deutlich komplexer.

Künstlersozialkasse (KSK)

Zwar ist mit der Etablierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes von 1983 ein Meilenstein in der Absicherung selbstständiger Künstler (und Publizisten) erreicht worden, jedoch trifft man in der Praxis immer wieder auf Instrumentallehrkräfte, die meinen, die Künstlersozialkasse (KSK) sei für sie nicht zuständig, oder die ihre Anmeldung vor sich her schieben. In Einzelfällen hört man auch von problematischen oder gar gescheiterten Aufnahmeverfahren, was wiederum zu Fehlinterpretationen über die KSK führen kann.1 Hier die Fakten:
– In der KSK werden selbstständige Künstler und Publizisten sozial abgesichert.
– Unter „Künstlern“ versteht der Gesetzgeber diejenigen, die Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffen, ausüben oder lehren.2 Die KSK ist somit eine Pflichtversicherung, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Diese Voraussetzungen sind:
– selbstständige Tätigkeit als Künstler oder Publizist,
– Tätigkeit wird erwerbsmäßig betrieben (nicht nur vorübergehend oder als Hobby),
– Einkünfte von mehr als 3900 Euro im Jahr (Ausnahmen für Berufsanfänger),
– Tätigkeit erfolgt in der Regel im Inland.
Die Versicherten zahlen – ähnlich wie Arbeitnehmer – etwa die Hälfte der Versiche­rungsbeiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, die andere Hälfte übernimmt die KSK. Sie finanziert sich aus Mitteln des Bundes und der Künstlersozialabgabe von Unternehmen, die künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten. Die KSK ist dabei keine Versicherung, sondern sorgt für den Beitragseinzug der Versicherten, den sie an die zuständigen Träger der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung weiterleitet.
Die Höhe der monatlichen Beiträge richtet sich nach dem zu erwartenden Jahresarbeitseinkommen. Dies entspricht dem steuerlich ermittelten Gewinn (Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben), als Schätzgrundlage kann der letzte Jahressteuerbescheid herangezogen werden. Zu erwartende Veränderungen sollten jedoch mit einbezogen werden.
Die Aufnahme in die KSK erfolgt, indem man einen Antrag auf Prüfung der Versichertenpflicht stellt. Antragsunterlagen wie ausführlicher Fragebogen (über down­load oder per mail anfordern) bzw. entsprechende Nachweise zur beruflichen Tätigkeit müssen beigelegt werden. Alle notwendigen Infos finden sich unter www.kuenstlersozialkasse.de.
Das Deklarationsprinzip des Einkommens könnte dazu verleiten, das Einkommen zu niedrig anzusetzen, um Krankenversicherungsbeiträge zu sparen. Doch Vorsicht: Ganz abgesehen davon, dass dies nicht zulässig ist,3 verschenkt man Zuschüsse zur Rente, erwirbt zu niedrige Rentenanwartschaften und im Krankheitsfall erhält man ein entsprechend der zu niedrigen Schätzung niedrigeres Krankengeld, was schlagartig zu Existenzproblemen führen kann.

Altersvorsorge

Schaut man sich die Durchschnittsverdienste von KünstlerInnen an, die die KSK jährlich veröffentlicht, so liegt auf der Hand, dass die Grundsicherung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht ausreichen wird.4 Die Ur­sachen der überaus niedrigen Rentenanwartschaften sind sehr komplex, es liegen keine gesicherten Daten vor. Vermutlich handelt es sich um eine Mixtur von geringen Einkünften, Zeiten der Nichtbeschäftigung, anderweitiger Beschäftigung und falschen Einkommensschätzungen.5
Zusätzliche Absicherung für das Alter ist notwendig, sobald die freiberufliche Existenz auf finanziell einigermaßen gesicherten Füßen steht. Eine erste Übersicht kann man sich verschaffen bei www.existenzgruender.de (in die Suchmaske: „Altersvorsorge“ eingeben).
Eine private Vorsorge über ein „Riester“-Produkt können auch Selbstständige betreiben, sofern sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Wer „Riester“ als staatliche Förderleistung in Anspruch nehmen möchte, muss sich für ein zertifiziertes Produkt entscheiden. Förderfähige Sparformen sind: Banksparpläne, „klassische“ private Rentenversicherungen, fondsgebundene Rentenversicherungen, Fondssparpläne oder „Wohn-Riester-Produkte“. Um die volle staatliche Zulage zu erhalten, beträgt der Mindesteigen­beitrag vier Prozent vom rentenversicherungspflichtigen Einkommen des Vorjahres. Maximal können so 2100 Euro geltend gemacht werden, als unterer Sparbetrag müssen mindestens 60 Euro pro Jahr eingezahlt werden. Die staatliche Zulage beträgt 154 Euro pro Jahr zuzüglich 185 Euro pro Kind. Interessant für Studierende im Berufseinstieg: Wer bei Abschluss eines „Riester“-Vertrags das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhält einmalig einen Bonus von 200 Euro. Wer in den Jahren seiner Berufstätigkeit extrem wenig verdient bzw. lange Phasen der Erwerbs­losigkeit durchlebt hat, der sollte wissen: Nach derzeitiger Gesetzeslage wird die „Riester-Rente“ mit der Grundsicherung im Alter verrechnet, sodass sich in extremen Einzelfällen eventuell die „Riester-Rente“ nicht lohnt.

Gesetzliche oder private ­Krankenversicherung?

Gesetzlicher Regelfall im Künstlersozialversicherungsgesetz ist die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Berufsanfänger (Versicherte während der ersten drei Jahre der Berufstätigkeit) und Höherverdienende (Versicherte, die im Drei-Jahres-Zeitraum die GKV-Ver­sicherungspflichtgrenze6 über­schritten haben) können sich von der GKV zugunsten einer privaten Krankenversicherung (PKV) befreien lassen. Die Unterschiede:
GKV:
– Versicherungsbeiträge sind einkommensabhängig,
– auch im Rentenalter einkommensabhängige Mitgliedschaft,
– kostenlose Mitversicherung von nichtberufstätigen Ehepartnern und Kindern,
– Anspruch auf Mutterschaftsgeld,
– Mitgliedschaft per Gesetz, ohne Wartezeiten und unabhängig von Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen.
PKV:
– zu zahlende Prämie richtet sich nach Eintrittsalter und persönlichem Risiko,
– für jedes Mitglied der Familie muss eine eigene Prämie gezahlt werden,
– Höhe der Prämie bleibt gleich trotz eventueller Einkommensschwankungen,
– im Alter ist mit deutlich höheren Prämien zu rechnen.
Der Schritt, sich von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht befreien zu lassen, ist buchstäblich ein Schritt fürs Leben, sollte reiflich überlegt werden und ist höchstens interessant, wenn man keine Kinder hat und haben wird, jung und gesund ist, Verwaltungsaufwand nicht scheut (alle Arztrechnungen laufen zunächst über den eigenen Schreibtisch) und für das Alter ein finanzielles Polster ansparen kann. Lediglich „wer als Berufsanfänger befreit worden ist, kann letztmalig noch zum Ablauf der Berufsanfängerzeit in die gesetz­liche Krankenversicherung zurückkehren, sofern er dies möchte. Nach Ablauf der Berufsanfängerzeit wird die Befreiung unwiderruflich. Eine Befreiung als Höherverdienender ist unwiderruflich. Die Unwiderruflichkeit gilt auch bei einer Unterbrechung der Tätigkeit. Wird die Tätigkeit aufgegeben und nach Jahren erneut begonnen, gilt der bisherige Status der Befreiung weiter. Eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht möglich.“7

Sonstige Versicherungen

„Versicherungen sind Geschäfte mit der Angst der Menschen“, sagen manche Zeitgenossen. Versicherungsexperten sehen dies nüchterner und argumentieren differenziert: „Richtig versichern heißt Prioritäten setzen. Existenzielle Risiken müssen zuerst abgesichert werden.“ Man benötigt also auf jeden Fall eine private/berufliche Haftpflichtversicherung, sinnvoll ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung bzw. für MusikerInnen eine spezielle Unfallversicherung mit sogenannter Gliedertaxe (zur Komplexität dieser Thematik vgl. Jürgen Simon in musikschule )) DIREKT 2/2014) und eventuell eine Instrumentenversicherung (vgl. Anja Bossen in musikschule )) DIREKT 6/2013).
Einen guten Überblick über Versicherungen (und die Reihenfolge ihrer Notwendig­keit, abhängig von der jeweiligen Lebenssituation) erhält man z. B. im regelmäßig neu aufgelegten Heft „Finanztest Spezial Versicherungen“ (www.test.de) bzw. auch über Veröffentlichungen von ver.di oder DTKV. Alternativ kann man gegen Honorar die Dienstleistung eines unabhängigen Versicherungsberaters in Anspruch nehmen (vgl. z. B. www.bvvb.de).

1 vgl. z. B. www.kskforum.de bzw. www.kskforum.de/netzwerk.htm oder die Anwaltseiten www.kunstrecht.de
2 Wer ist Künstler? Bei Zweifelsfällen, z. B. in der Abgrenzung zwischen Handwerk und Kunst, heißt es bei der KSK: „…wer in den einschlägigen fachkundigen Kreisen als Künstler anerkannt und behandelt wird. Diese Anerkennung zeigt sich etwa in der Mitgliedschaft in künstlerischen Berufsverbänden oder der Teilnahme an Ausstellungen.“ (www.kuenstlersozialkasse.de).
3 Die KSK überprüft Versicherte stichprobenartig, sie müssen dann für die zurückliegenden vier Jahre ihre Einkünfte offen legen und nachweisen.
4 ermitteltes durchschnittliches Jahreseinkommen von Musikern, Stand 1.1.2013: 12326 Euro.
5 vgl. http://library.fes.de/pdf-files/managerkreis/10013.pdf, S. 23 (Stand: 13.6.2014).
6 www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/ ksk_in_zahlen/beitraege/beitragsbemessungsgrenzen_aktuelles_Jahr.php (Stand: 13.6.2014).
7 www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/ download/daten/Versicherte/Befreiung_von_der_gesetzl._Krankenversicherung_zugunsten_einer_priv._Versicherung.pdf (Stand: 13.6.2014).