Mahlert, Ulrich

„…machen Sie keine Omletten“

Komisches und Humoristisches beim Musizieren und Unterrichten

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2020 , Seite 06

Komik und Humor sind etwas ­anderes als Bespaßung. Sie zerstreuen nicht, ­sondern wecken Aufmerk­samkeit und fördern künstlerische Fähigkeiten.

Musizieren soll Spaß machen. Diesen Wunsch haben viele Schüler sowie die Eltern von Kindern und Jugendlichen, die ein Instrument lernen. Vielen Lehrenden widerstrebt es, solche Erwartungen umstandslos zu bedienen. Als Bespaßer ihrer Schüler zu agieren, widerstreitet ihrem beruflichen Ethos. Denn Musik ist mehr und anderes als „Spaß“. Der Spaß hört für sie auf, wenn es ernsthaft um Musik geht. Ein Unterrichtszimmer soll kein Lach­kabinett sein.
Komik und Humor allerdings gehören unlöslich zum Musizieren und zum Musikunterricht. Musizieren, ob vokal oder instrumental, hat potenziell etwas Komisches. Ein kleines Kind, das einen Sänger in voller Aktion hörte, fragte verstohlen seine Mutter: „Warum schimpft der so?“ Für Erwachsene hat die keineswegs heiter gemeinte Frage einen komischen Effekt: Sie macht spürbar, wie seltsam die ihnen vertraute Art des Kunstgesangs erscheinen kann. Bewegungen, Gesten, Posen, Handhabung von Instrumenten, Präsentation vor Publikum sind beliebte Motive für Komiker, Zeichner von Karikaturen und auch für Musiker und Musikerinnen selbst. Die parodistischen Musizieraktionen etwa von Viktor Borge, Loriot, Hans Liberg oder Helge Schneider schöpfen das vielfältige Komikpotenzial des Musikmachens aus.1 Ein phänomenaler Geiger wie Jascha Heifetz brillierte mit einer grandiosen Parodie eines Konzertsatzes von Vieuxtemps, die er zur Begeisterung seiner Schüler mit unerschütterlich ernster Miene darbot.2
Komik und Humor dürfen nicht hinter irregeleiteten künstlerischen und pädagogischen Ansprüchen verkümmern, denn sie selbst sind künstlerische Wirkungskräfte. Beide ­haben es mit Perspektivwechseln, Überraschungen und Inkongruenzen zu tun. Sie verlangen und fördern wache Wahrnehmung, mobiles Vorstellungsvermögen und beleben die Fantasie. „Halten Sie Ihre Hand still, machen Sie keine Omletten“, sagte Franz Liszt einer Schülerin, die bei einer schwierigen Passage bemüht ihre Hand rotieren ließ.3 Eine Spielbewegung am Klavier wird mit einer Bewegung aus einem völlig anderen Lebensbereich ineins gesetzt; der skurrile Bezug zwischen den beiden Aktionen lässt in der monierten Kunstbewegung eine alltägliche, dadurch komisch wirkende, erheiternde Geste durchscheinen. Genügend Selbstbewusstsein und die nötige Portion Humor vorausgesetzt, wird die Schülerin selbst vermutlich über diesen Vergleich gelacht oder zumindest gelächelt haben. Dadurch bekam sie Abstand zu ihrer angespannten Bemühung, nahm ihre Bewegung neu wahr und fand durch die Entkrampfung vielleicht alsbald eine andere Lösung für die technische Schwierigkeit.
Komisch wirkte an der beispielhaft zitierten Bemerkung Liszts möglicherweise auch der Kontrast zwischen dem Bedeutenden der gespielten Stelle und dem Trivialen des Vergleichs. Das plötzliche Umkippen des Großen, Erhabenen in das Kleine, Lächerliche ist eine typische Erscheinungsform von Komik und Humor – wie auch umgekehrt das überraschende Gewahrwerden des Bedeutenden im Beiläufigen oder Lächerlichen. (Vielleicht regte ja die monierte Geste des Omlettbackens die Spielerin zu einer Bewegung an, mit der ihr eine überzeugende Wiedergabe einer pathetischen Stelle gelang.)

Komik – Humor

Worin liegt der Unterschied zwischen Komik und Humor? Anders als Humor ist Komik nicht immer versöhnlich. Sie hat viele Gesichter: angenehme und auch – besonders für den, der zum Objekt von Komik wird – weniger erfreuliche. Durch Komik ausgelöstes Lachen kann Spannungen auflösen, es kann befreiend, wohltuend, belebend, freund­schaftlich und vieles andere sein. Komik kann aber auch verunsichernd, unangenehm, ätzend, kränkend wirken. Auch dazu ein Beispiel aus Franz Liszts Klavierunterricht: Als die Pianistin und Komponistin Mary Wurm im Klassenunterricht dem verehrten Meister die Frage stellte, wie ihm ihr Klavierspiel gefalle, antwortete er: „Sie sollten Maschinennäherin werden, Fräulein. So regelmäßig wie Sie tritt niemand das Pedal.“4 Als Reaktion der Pianistin ist ein beschämtes Lächeln vorstellbar. Den anwesenden Zuhörern dürfte ein vielleicht sich regender Lachimpuls im Halse steckengeblieben sein.
Der komische Vergleich des Pedalisierens am Klavier mit dem Pedaltreten einer Maschinennäherin wirkt recht bösartig. Mit dem in den Vergleich eingebundenen Hinweis auf die Qualität der Regelmäßigkeit des Pedaltretens bringt Liszt das Gegenteil zum Ausdruck: Kritik an verfehlter Schematik. So verfährt Ironie. Komik ist offen zur Ironie, ebenso, in weiter gesteigerten, noch aggressiveren Formen, auch zu Sarkasmus und Zynismus. Brahms war ein Virtuose darin. Als sein Jugendfreund Bernhard Scholz ihn um Beurteilung einer seiner mitgebrachten Kompositionen bat und Brahms eine Weile mit der Durchsicht des Werks zugebracht hatte, „erhellten sich seine Gesichtszüge. Er betrachtete sein Gegenüber wohlwollend, befühlte das Papier und meinte begeistert: ,Sag mal, Bernhard, wo hast du dieses wunderbare Notenpapier her‘?“5

1 Viele Sketche dieser und anderer Komiker finden sich auf YouTube und erheitern ein breites Publikum – nicht zuletzt auch Musikerinnen und Musiker.
2 Heifetz Imitation: Vieuxtemps Konzert Nr. 4, 1. Satz. www.youtube.com/watch?v=D5SluQyVqWQ (Stand: 28.11.2019).
3 Amy Fay: Musikstudien in Deutschland. Aus Briefen in die Heimath, Berlin 1882. Reprint mit einer Einleitung versehen von Gregor Weichert, Regensburg 1996, S. 130.
4 Siegfried Ochs: Geschehenes, Gesehenes, Leipzig 1922, S. 150.
5 „Dirigieren verdirbt den Charakter…“ Musikeranek­doten, gesammelt und erzählt von Hans Martin Ulbrich, Stuttgart 2017, S. 32.

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