Schlimp, Karen / Martin Losert

Klangwege

Improvisation anregen – lernen – unterrichten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: LIT, Wien 2019
erschienen in: üben & musizieren 1/2020 , Seite 60

Klangwege ist eine umfassende Materialsammlung für kreative Ensembles für den Unterricht in der Schule, für den Ensemble- und Partnerunterricht in der Musikschule und für selbstständig arbeitende MusikerInnen und MusiklehrerInnen.
Spielanweisungen sind nach Ziel­gruppen und Schwierigkeitsgrad markiert, die Anleitungen übersichtlich dargestellt. Aufgrund einer vorgeschlagenen Spielanweisung kann man ausprobieren, experimentieren, eigene Ideen entwickeln, sie auf eigene Weise ausarbeiten und viel im Unterricht improvisieren. Man kann sie aber auch in Aufführungen präsentieren.
Erklärtes Ziel des Buchs soll sein, improvisatorische Fähigkeiten zu entwickeln und zu verbessern und die Vermittlung von Improvisation in den Blick zu nehmen. Man findet also sowohl freie Spielformen, die keiner Vorbereitung bedürfen, als auch auf intensiver Vorarbeit und systematisch auf ausgearbeiteten Schritten beruhende Anleitungen. Diese Sammlung ist bewusst stilistisch breit angelegt. Wir finden eigentlich fast alles, was sich zum Improvisieren eignet: freie Spielformen mit allen musikalischen und klangmateriellen Möglichkeiten, Texte und Geschichten, Bilder und Grafiken, dirigierte Improvisationen, verschiedene Skalen aus anderen Kulturen, Intervalle und ihre Fortschreitungen, Akkordfolgen, Mehrstimmigkeit, Spielen nach stilistischen Traditionen (z. B. Präludieren), Tanzformen und ­Literaturstücke als Steinbruch zum Selbsterfinden.
Diese Vielfalt ist eine Stärke dieses Buchs und regt zusätzlich an, sie exemplarisch auch als Vorbild für eigene künstlerische Ideen zu sehen. Es ist eine Art Opus Magnum kreativer Möglichkeiten in der Ensemblearbeit. Die Erörterung der Vermittlung steht im Buch sogar vor der praktischen Arbeit. Grundsatz der AutorInnen ist: Improvisation geschieht nicht ohne Vorbereitung. Es ist die Freiheit, die Improvisation ausmacht, aber „das Neue [erscheint] nur aufgrund des bereits Bekannten“.
Improvisieren ist so verstanden die Kunstfertigkeit, vorhandene Regeln zu kennen, Spielerfahrungen zu speichern, über diese in eigener Weise zu verfügen, aber auch über sie hinausgehen zu können. Fähigkeiten zum Improvisieren beruhen auf prozeduralem Wissen, das in impliziter, das heißt oft nicht bewusster und erst recht nicht abfragbarer Form vorliegt. Das bedeutet, dass Lernen immer wieder im improvisatorischen Handeln selbst als auch in systematischen Übungen geschieht: Hören und Zuhören trainieren, kommunikative Fähigkeiten ausbilden und musiktheoretische Kenntnisse erwerben.
Die AutorInnen propagieren einen schülerzentrierten Unterricht, der Hierarchien abbaut und die Kreativität der SchülerInnen schützt und fördert. Die Lehrperson soll wertschätzender Führer durch ein gemeinsames improvisatorisches Geschehen sein. Es ist aber auch möglich, mit dem angebotenen Material ohne Lehrkraft zu arbeiten.
Reinhard Gagel