© Maren Blaschke

Nykrin, Rudolf / Rainer Kotzian

Musiklehre digital

Neue Filme und Materialien für das E-Learning

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 6/2021 , Seite 34

Seit dem 19. Jahrhundert gilt die Vermittlung musiktheoretischer Grundlagen als  pädagogische Aufgabe, für die immer wieder aufs Neue zufriedenstellende Lösungen gesucht wurden. „Trockene Musiktheorie“ will heute niemand mehr unterrichten: Die Notenschrift und grundlegende Sachverhalte der Musik sollen sinnlich und in  musikalischen Zusammenhängen erfahren und nicht ausschließlich kognitiv gelernt werden. Dabei kann die digitale Informations­vermittlung ein lebendiges und  kommunikatives Lernen unterstützen.

Ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie kam es zu ernsthaften Einschränkungen des gewohnten Präsenzunterrichts. Für Schulen und Musikschulen wurden dabei neue Formen des Distance Learning notwendig. Zahlreiche Lehrkräfte behalfen sich damit, tradierte Materialien zu scannen und an die Lernenden elektronisch zur Bearbeitung zu übermitteln, und verständigten sich darüber per Videoschaltung. Dies alles waren Schritte hin zu einem neuen pädagogischen Umgang, der Handy, Tablet, Computer als integ­rale Vermittler betrachtet. E-Learning rückte in den Fokus schulischen Lernens.
Der digital gestützte Unterrichtskontakt zwischen Lehrenden und Lernenden wird auch in Zukunft bedeutsam bleiben. Auch der Unterricht in Musikschulen wird zunehmend ­digital vernetzt und verwendet elekt­ronisch aufbereitete Lernmaterialien. Noch stellt die praktische Musikausübung ein mediales Reservat dar: Sie bleibt eine Domäne von „Non Distance“, von persönlicher Anleitung und direkter Kommunikation. Dass Lehrende genau sehen und hören, wo ihre SchülerInnen beim Singen und Musizieren Interesse und Freude zeigen, dass sie die Motivation dann verstärken und bei Schwierigkeiten indivi­duelle Lösungen und Korrekturen anbieten – diese personalen Prozesse sind fundamental für jede erfolgreiche musikpraktische Vermittlung. Auch jeder Unterricht mit Kindern in Basisfächern bedarf dieser Nähe.
Wenn nun E-Learning auch in solche Vermittlungsprozesse eingreifen kann, müssen die möglichen Effekte sorgsam und kritisch bedacht werden. Jede Entpersonalisierung des Lernens wäre hier besonders schmerzlich, da musikalisches Lernen – insbesondere bei Kindern – der sensiblen Begleitung, Ermunterung und Führung und ganz allgemein der sozialen Einbettung bedarf.

Musiklehre für Kinder

Dieser Anspruch stand bei der Erarbeitung der neuen, digital gestützten Fassung unserer Musiklehre für Kinder obenan. Die seit 2004 bei Schott erscheinende Reihe „Mit Musik kenn ich mich aus“ vermittelt Grundkenntnisse, die für jeden weiteren Umgang mit Musik nützlich sind. Für den ersten Band, die Musiklehre für Kinder, sind die Inhalte in 23 Filmen aufbereitet worden, die online als Stream zugänglich sind. Die kurzen Filme beinhalten klare, kindgerechte Darstellungen und Beschreibungen der Inhalte der Musiklehre und viele Aufgabenstellungen, die zum aktiven Tun und zum eigenständigen Lernen führen können. Zusätzlich wurden exemplarische Lernkontrollen eingearbeitet.
Bereits die Präsentation der Lieder und Musikstücke in den Filmen fordert zum Zuhören, Mitsingen, Klatschen, Zählen, Dirigieren usw. auf. Bei Liedern ist die Aufnahme in der Regel zweiteilig: An das gesungene Lied schließt nahtlos die Liedmelodie als Playback zum eigenen Singen an. Ein im Notentext mitlaufender Cursor visualisiert, wo sich die Melodie gerade befindet. Das Verhältnis von Vormachen, Aneignung und Selbermachen wird auch im rhythmischen Bereich vielfach angeregt. Zentraler Bestandteil sind Arbeitsblätter, die den Umgang mit den Inhalten der Musiklehre anleiten und vertiefen können. Hier werden die wesentlichen Inhalte rekapituliert und die Lieder und Sprechstücke zum Nachlesen dokumentiert.
Die digital gestützte Aufbereitung von Lerninhalten bietet für Lehrkräfte neue Unterrichtsmöglichkeiten und für Kinder neue Erfahrungen. Einige Anregungen:
– Film stoppen, Erinnerung prüfen, Wissensfragen stellen, Lied, Sprechstück oder Musikbeispiel wiederholen, Aufgaben wie im Film direkt bearbeiten und variieren.
– Einzelheiten herausgreifen, Kenntnisse sichern, auf ähnliche Phänomene übertragen (z. B. Rhythmen, Intervalle, bestimmte Tonfolgen).
– Mit Schreibaufgaben verbinden: Arbeitsblatt aus dem Heft bereits im Unterricht einsetzen, in separiertes Notenheft bzw. auf ein Notenblatt schreiben.
– Früher gelernte Inhalte (Dirigierfiguren, Lieder, Texte, Rhythmen) mittels entsprechender Filmabschnitte wiederholen.

Beispiel 1: Achtelnoten und Achtelpausen
In Film 12 geht es um „Neue Notenwerte“:

Wie sich Viertel- und Achtelnoten abwechseln können, wird zunächst an vier Rhythmen im Viervierteltakt gezeigt. Der Sprecher leitet jeden Rhythmus kurz ein und fordert zum Mitklatschen und Mitzählen auf. Wie das geht, ist in einem ersten Durchgang zu hören, bei der Wiederholung dann nicht mehr – nun sollen es die Kinder selbst versuchen. Die komplette Sequenz wird im Film dann bei jedem Rhythmus noch einmal wiederholt. Sind den Kindern die vier Rhythmen in dieser Weise vertraut, können sie diese auch in dem darauf folgenden Sprechstück erkennen.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2021.