Schmidinger, Helmut

Kompositionspädagogik

Theoretische Grundlegung als Fachrichtung der Musikpädagogik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner
erschienen in: üben & musizieren 6/2021 , Seite 64

Komponieren im Unterricht und Unterricht in Komposition sind Gegenstand einer „zunehmend intensiver werdenden deutschsprachigen Diskussion“ (Klappentext). Der Komponist Helmut Schmidinger, Gastprofessor an der Kunstuniversität Graz, hat mit allen relevanten Bereichen über Jahre Erfahrungen gesammelt.
Im Eingangskapitel werden die Begriffe Komponieren und Kompositionspädagogik erläutert. In Verbindung mit anregenden historischen Exkursen beleuchtet das zweite Kapitel das Berufsfeld in Schulen, Musikschulen, Hochschulen sowie im Konzert- bzw. Opernhaus und Öffentlicher Raum.
Die im dritten Kapitel behandelten „Settings“ entscheiden über Erfolg und Misserfolg kompositionspädagogischer Tätigkeit. Zehn Projekte, an denen der Autor beteiligt war, und ein stärker prozess- als produktorientiertes elftes werden untersucht hinsichtlich ihrer Bedingungen bzw. Voraussetzungen und ihrer Ziele, von Schmidinger „Kriterien“ genannt. Dass beispielsweise beim Kriterium „Stil“ wie mit ­einem Schieberegler zwischen „aktuell“ und „historisch“ eingestellt werden kann, mag irritieren. Ziel der tabellarisch festgehaltenen Untersuchungsergebnisse ist aber der durch solche Kriterien geleitete, aufschlussreiche Vergleich der Projekte.
Im vierten Kapitel werden sieben Typen von Kompositionsaufgaben unterschieden: Bei vier Typen stehen das Kombinieren, Entwickeln, Erfinden oder Imaginieren von Klang/Material im Zentrum der Aufgabe. Weitere drei Typen verwenden Sprache als Einstieg oder Gegenstand („Rhetorik“), zielen auf die Offenheit des Prozesses oder des Produkts („Prozess“) sowie auf das Bearbeiten oder die Collage von Musik, mithin auf Musik über Musik („Dekomposition“). Die Fülle an Aufgabenbeispielen ist besonders gewinnbringend.
Im fünften Kapitel werden Hochschulstandorte verglichen, an denen Kompositionspädagogik als Studiengang, Studienrichtung, Schwerpunkt oder Lehrveranstaltung angeboten wird. Angesichts der Diversität des Angebots verzichtet der Autor auf Empfehlungen. Im sechsten Kapitel über das Berufsbild wird deutlich, dass wissenschaftliche Tätigkeit, künstlerische und wissenschaftliche Forschung und Publizieren derzeit eher marginal betrieben werden. Weitere bestehende Desiderate werden im abschließenden Kapitel nochmals benannt wie z. B. die Gründung einer über den deutschsprachigen Raum hinausgehenden Gesellschaft, die Entwicklung von der Kompositionspädagogik eigenen Forschungsmethoden sowie die Etablierung im Hochschulkontext und in der Unterrichtspraxis.
Die Publikation lässt sich lesen als umfassende Bestandsaufnahme hinsichtlich relevanter Fragen, die das Komponieren im Unterricht und den Unterricht in Komposition betreffen. An diesem Buch kommt niemand vorbei, der sich ernsthaft für die Thematik interessiert.
Matthias Schlothfeldt