© Corina Nastoll

Nastoll, Corina

Die Herzen berühren

Gestaltung von Schülervorspielen in pandemischen ­Zeiten

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 4/2022 , Seite 24

Da kommt so ein Virus um die Ecke und drückt in so vielen Lebensberei­chen auf „Reset“. Wie im Präsenz­unterricht lässt sich natürlich auch die Konzert­situation nicht einfach eins zu eins in den digitalen Raum übertragen. Eine gute Gelegenheit, einmal innezuhalten und grundsätzliche Überlegungen zum Thema Schülervorspiele anzustellen…

Mit welchem Anliegen organisiere ich eigentlich Vorspiele? Was ist der Antrieb für meine SchülerInnen, sich an einer solchen Veranstaltung zu beteiligen? Was ist also der Kern, um den es geht – und wie kann ich diesem Kern in pandemischen Zeiten ein neues Gewand geben?
Selbstverständlich gehört die Durchführung von Vorspielen zum pädagogischen Auftrag einer jeden Instrumental- und Vokallehrkraft.1 Sie stellen „festliche Höhepunkte“ im Verlauf des musikalischen Lernens dar. Eines der häufigsten und gewichtigsten Argumente wird aber sicherlich sein, dass SchülerInnen in ihrem Üben beflügelt werden, sobald sie ein konkretes Ziel haben. Und tatsächlich weht ein ganz besonders energetischer Wind durch die Unterrichtsstunden vor dem Vorspieltermin. Ist der Auftritt geglückt und liegt eine interessante Veranstaltung hinter ihnen, spüren Lehrkraft und SchülerIn dann auch Wochen nach dem Konzert noch den motivationalen Rückenwind.
Die Teilnahme an Konzerten bietet SchülerInnen aber auch eine wertvolle Trainingsmöglichkeit für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, etwa im Umgang mit Nervosität, Konzentration und Aufmerksamkeit. Im besten Fall kann somit das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gesteigert und ganz allgemein der Umgang mit Stresssituationen geübt werden. Aber nicht nur die Auftrittssituation, sondern auch die Position der ZuhörerInnen können SchülerInnen in diesen Veranstaltungen wunderbar „üben“. Denn in der Regel verbringen die Mitwirkenden die meiste Zeit der Veranstaltung nicht auf der Bühne, sondern im Publikum. Wäre es nicht wunderbar, wenn unsere SchülerInnen auch beim Zuhören den Wert von live dargebotener Musik erkennen?!

Musik als Kunst des Augenblicks erleben

Besonders am Herzen liegt mir bei der Gestaltung von Vorspielen neben den bereits genannten Argumenten aber auch, den auftretenden SchülerInnen die Gelegenheit zu geben, eine Wertschätzung für ihre Bemühungen zu bekommen: wenn die Musizierenden beispielsweise erleben, wie sie mit ihrer Musik anderen Menschen eine Freude bereiten; wenn jüngere SchülerInnen den fortgeschrittenen ihre Bewunderung zeigen; oder wenn sogar fremde Personen nach dem Konzert auf einzelne SchülerInnen zugehen und sie für ihren Auftritt loben.
Musik als Ausdrucksmittel wird vor allem dann spürbar, wenn Musizierende und Zuhörende ihre gemeinsame Zeit und Aufmerksamkeit miteinander teilen. Dann wird Musik auch als Kunst des Augenblicks sehr intensiv erlebbar. Und im besten Fall wird das Musizieren vor Publikum nicht als Stresserfahrung, sondern vielmehr als eine Glückserfahrung wahrgenommen: „Sich musizierend zu präsentieren, ist ein glanzvoller ritueller Vorgang. […] Da Musizieren Mitteilung von Musik ist, sind Zuhörer keine akzidentiell Anwesenden, sondern als Adressaten der musikalischen Botschaft Mitspieler im Spielgeschehen. Ihr Hören und Zuschauen stimuliert die Spieler. Ein Publikum spürt das Risiko, das in jedem Auftritt liegt. Gelingendes Musizieren erzeugt daher Beifall und Bewunderung. Solches Resonanzerleben ist ein Lebenselixier für jeden Musizierenden und steigert sein Selbstwertgefühl.“2

1 vgl. Strukturplan des VdM, Bonn 2009.
2 Mahlert, Ulrich: Wege zum Musizieren. Methoden im Instrumental- und Vokalunterricht, Mainz 2011, S. 264.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2022.