Stitzenberger, Severin

Snare Drum Exercises

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Svitzer, Kopenhagen 2021
erschienen in: üben & musizieren 4/2022 , Seite 64

Sie kann keine Melodien spielen und keine Harmonien darstellen. Sie hat nur einen schlichten Körper in Ringform sowie zwei Felle und ist mit Stativ in einfacher Ausführung schon ab hundert Euro zu haben. Ein Virtuosen­instrument scheint sie nicht zu sein, die kleine Trommel.
Ein Virtuoseninstrument im klassischen Sinne sicher nicht, aber eins in einem alternativen Sinn, so würden Markus Leoson und Severin Stitzenberger, Schlagzeuger und Autoren von zwei neu erschienenen Trommelschulen, wahrscheinlich antworten. Und sie würden verweisen auf die nahezu grenzenlosen Gestaltungs- und Differenzierungsmöglichkeiten des Instruments im rhythmischen Binnenbereich, an denen man sich gut und gerne ein Musikerleben lang abarbeiten kann: Geht der Wirbel nicht noch leiser und leichter, noch lauter und druckvoller? Sind die Klänge der einzelnen Stockhände wirklich nicht mehr zu unterscheiden? Welche Melorhythmen entstehen durch die Wahl der Anschlagstelle und ist mein Mikrotiming direkt vom Beginn einer Phrase an stabil? Virtuosität ist nicht immer nach außen gerichtet, beim Spiel einer Trommel kann sie im Wechselspiel von linker und rechter Hand liegen und von hoher minimalistischer Komplexität sein.
Die zwei in der dänischen Edition Svitzer erschienenen Schulwerke verstehen sich als Weiterentwicklung der Trommlerbibel Stick Control for the Snaredrummer von George Lawrence Stone, sie ergänzen diese durch interessante und in der Tat weiterführende Ansätze und Ergänzungen. Genau wie das Vorbild eignen sie sich auch als Schule für das Lernen des Lernens, indem sie den Fokus beim Trommeln auf die konsequente Synchronisierung und Harmonisierung von Hand und Ohr legen. Hierbei raten die Autoren z. B. zum Üben kurzer Phrasen mit geschlossenen Augen, zum regelmäßigen Beginn mit der schwachen Hand und zur Nutzung von Schlagfiguren mit einer Anzahl ungerader Schläge, wodurch die Handsätze automatisch zwischen den Händen hin und her pendeln.
Die langen und auf den ersten Blick monotonen Übezeilen werden AnfängerInnen womöglich abschrecken und es wird eine Lehrperson brauchen, die hilft, den Ansatz in die Praxis umzusetzen. Die Gestaltung der Lehrwerke hilft dabei beim Verständnis: Leosons Yin & Yang Method projiziert das entsprechende Symbol auf ein Trommelfell, Stitzenbergers Snare Drum Exercises sind bebildert mit dem Spiralbild eines historischen Treppenhauses – beides Hinweise auf ein konzentriertes und nach innen lauschendes Musizieren. Entwickelt und erprobt haben die Autoren ihre Konzepte mit ihren Schlagzeugstudierenden in Leipzig und Weimar. Ein Hinweis auf den Zielort dieser Hefte: dauerhaft aufgeschlagen auf den Notenpulten in den Schlagzeugräumen an Hochschulen.
Stephan Froleyks