Köhler, Eva

Abenteuer Oper

Opern der Superlative, mit Mixed Mode-CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2022
erschienen in: üben & musizieren 1/2023 , Seite 59

Grundschulkinder an musikalisch anspruchsvolle Großwerke heranzuführen, ist goldrichtig! Die größte Überraschung in der Auswahl der vier Superlative dürfte der Aspekt der Länge sein: Neben der ältesten Oper (Monteverdis Orfeo), der bekanntesten (Mozarts Die Zauberflöte) und der „deutschesten“ (Webers Der Freischütz) erweist sich Wagners längste Oper Der Ring des Nibelungen als durchaus geeignet. Die Wanderung des magischen Rings, das germanische Weltbild, die Entwicklung der Walküre Brünnhilde und die Helden­sage Siegfrieds sind spannende Geschichten, für die abwechslungsreiche Aufgaben detailgenau dargestellt werden.
Das Arbeitsheft empfiehlt sich durch seine klare, genaue Sprache. Verständliche, aber nicht vereinfachende Einleitungen ordnen den Stellenwert jeder Oper thematisch, musikalisch und kulturgeschichtlich ein. Es gelingt Eva Köhler leicht, Bezüge zwischen Operninhalt und Kinderalltag herzustellen, z. B. Pamina als Kind zwischen streitenden Elternteilen. Aus den Arbeitsaufträgen spricht die langjährige pädagogische Erfahrung der Autorin, für die hier beispielhaft genannt seien: Einsatz von Orff-Instrumenten (bei Orpheus’ und Eurydikes Aufstieg aus dem Hades); interdisziplinäre Spiele (wie etwa das Basteln von fantasievollen Symbolen stellvertretend für die Opernfiguren der Zauberflöte, mit denen dann Theater gespielt wird); konstruktive Fragen an die SchülerInnen; Übungen, um Worte für den Charakter von Opernstimmen zu finden einschließlich warnender „Hinweise“ wie mögliches Lachen als Reaktion der Kinder auf diese ungewohnten Klänge. Die CD mit passgenauen Musikbeispielen trägt ganz wesentlich zum praktischen Nutzen dieser dichten Materialsammlung bei und rechtfertigt den Preis.
Leider wird das Paket der Tat­sache vollkommen gerecht, dass Musik an Grundschulen fast nur noch fachfremd unterrichtet wird. So verzichtet die Ausgabe auf Notenbeispiele (wie z. B. der Leitmotive im Ring) und die Ermunterung, die Motive, Melodien oder Chöre (mit) zu singen! Lehrkräfte, die Oper lieben, werden hoffentlich selbst auf die Idee kommen, ihre Klassen singen zu lassen. Vermisst wird außerdem an irgendeiner Stelle der Tipp, über die Musikstunden hinaus so nah wie möglich Opernhäuser oder Orchester direkt anzusteuern. Denn sie bieten einiges, um die Faszination des Musiktheaters an Kinder leibhaftig zu vermitteln.
Fazit: Reichhaltiges, sachkundiges Arbeitsmaterial, das sofort eingesetzt werden kann, das jedoch eine großzügigere Portion an musiktheatralischer Aben­teuerlust und künstlerischer Freiheit für dieses entdeckungsfreudige Alter vertragen hätte.
Iris Winkler