Di Giorgio, Nisha

Emotional überzeugen und mitreißen

Mit Crowdfunding Musikprojekte gemeinsam finanzieren und vermarkten

Rubrik: Finanzen
erschienen in: üben & musizieren 2/2023 , Seite 42

Beim geplanten Orchesterkonzert fehlt das Geld für die notwendige Technik. Der Bus für die nächste Tournee muss finanziert werden. Ein Konzept für ein neues Musik-Event benötigt eine Vali­dierung. Das sind nur einige Beispiele, bei denen Crowdfunding die passende Lösung sein könnte. In diesem Beitrag werden ausgehend von verschiedenen Crowdfunding-Arten und -Zielen wichtige Aspekte vorgestellt, die bei der Planung und Durchführung einer Crowd­funding-Kampagne zu beachten sind.

Der Begriff Crowdfunding tauchte erstmals im Jahr 2006 auf, als eine Musikplattform es KünstlerInnen ermöglichte, ihr Album durch Fans vorfinanzieren zu lassen. Allgemein bezeichnet man mit Crowdfunding die Finanzierung (funding) eines Projekts durch eine Menge von Menschen (crowd). Über spezielle Plattformen können Vorhaben präsentiert und Unterstützende für das Projekt gewonnen werden. Die Unterstützung erfolgt meist in finanzieller Form, kann sich aber auch in Mitarbeit am Projekt, Vernetzung zu wichtigen Kontakten oder Ähnlichem zeigen.

Geben und Nehmen bei den Crowdfunding-Arten

Beim Crowdfunding geht es darum, gemeinsam etwas zu (er-)schaffen. Die Crowd wird dabei als Teil des Projekts angesehen und von Anfang an integriert. Musik will man teilen und gemeinsam erleben und so will man auch beim Crowdfunding die Fans teilhaben lassen an den Projekten – und das auf Augenhöhe. Das Prinzip des Gebens und Nehmens spielt damit eine sehr wichtige Rolle, sodass man als Gegenleistung zur finanziellen Unterstützung, je nach Crowdfunding-Art, unterschiedliche Anreize bietet.

Gegenleistungsbasiertes Crowdfunding
In der Musikbranche findet meist das sogenannte Vorverkaufs- bzw. Gegenleistungsbasierte (engl. Reward-based) Crowdfunding Anwendung. Hier gibt es als Dank für die finanzielle Unterstützung unterschiedliche, zum Projekt passende materielle oder immaterielle Gegenleistungen. Dies kann zum Beispiel das fertige Album sein, Eintrittskarten zum Konzert oder eine Live-Session im Wohnzimmer. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Alles, was der eigenen Crowd bzw. den Fans gefallen könnte und ihnen Mehrwert bietet, ist denkbar. Dabei empfiehlt es sich, mehrere Gegenleistungen in unterschiedlichen Preisklassen anzubieten, damit für jeden Geldbeutel etwas dabei ist.
Rechtlich gesehen ähnelt diese Crowdfunding-Art einem Verkauf über einen Online-Shop, denn auch hier kommt es zu einem klassischen Kaufvertrag. Der Unterschied: Die Plattform agiert als eine Art Treuhänderin zwischen den Unterstützenden und den ProjektstarterInnen. Erst wenn die Crowdfunding-Kampagne erfolgreich zu Ende ist, erhalten die ProjektstarterInnen das Geld (abzüglich der Transaktionsgebühren) ausbezahlt. Vorteil: Die Plattform bietet einen einfachen und passenden Rahmen und sendet gegenüber den Unterstützenden eine gewisse Sicherheit und Vertrauen aus. Bekannte Plattformen sind zum Beispiel „Startnext“ oder „Kickstarter“, auf denen einige musikbezogene Projekte mit sehr erfolgreichen Kampagnen zu finden sind.

Spendenbasiertes Crowdfunding
Für gemeinnützige Organisationen könnte neben dem Reward-based Crowdfunding auch das Spendenbasierte Crowdfunding (engl. Crowddonation) passend sein. Die eingesammelten Gelder sind dabei als Spenden zu betrachten, doch auch hier werden einfallsreiche Dankeschöns als Gegenleistung gerne gesehen. Auf der Plattform „betterplace.org“ kann man zum Beispiel unter der Rubrik „Kultur“ mehrere erfolgreiche Musikprojekte finden.
Beiden genannten Crowdfunding-Arten ist gemeinsam, dass sich die benötigten finanziellen Mittel im Rahmen von einigen Tausend Euro bewegen. Im Durchschnitt sammelten (reward-based) Projekte in Deutschland im Jahr 2021 jeweils 5600 Euro ein.1 Insbesondere innovative Projekte oder Projekte mit einer großen Fanbase konnten auch weitaus höhere Summen erzielen. So erreichte beispielsweise die Band Deichkind mit ihrer Crowdfunding-Kampagne 2020/21 zur Finanzierung ihrer Crew während der Corona-Pandemie die stolze Summe von 127447 Euro durch 1357 UnterstützerInnen und gilt damit als eine der erfolgreichsten Kampagnen in der Rubrik „Musik“ auf der Plattform „Startnext“.2 Als internationales Erfolgsbeispiel gilt Amanda Palmer: Die Alternativ-Künstlerin sammelte 2012 als erste Musikerin auf der Plattform „Kickstarter“ über eine Million Dollar für ihr Album Theatre is Evil (inkl. Buch und Tour).3

Crowdlending und Crowdinvesting
Über die „klassischen“ Arten hinaus haben sich weitere Crowdfunding-Arten entwickelt. Hierzu zählen das Crowdlending und Crowdinvesting. Beim Crowdlending leiht man sich wie bei einem Bankkredit von mehreren (Privat-)Personen Geld, das man nach einer bestimmten Laufzeit und mit entsprechendem risikoabhängigen Zinssatz wieder zurückzahlt. Diese Art der Finanzierung ohne Bank kann eine Alternative für kleinere Kreditbeträge darstellen.
Beim Crowdinvesting investieren Personen in ein bestehendes Unternehmen und erhalten im Gegenzug dafür eine erfolgsabhängige Rendite. In der Musikbranche haben sich hier interessante Modelle wie zum Beispiel das Investieren in einzelne Songs entwickelt. Auf der Plattform „GlobalRockstar“ können Personen beispielsweise Anteile an einem Song per NFTs (Non-Fungible Token) erwerben und als Gegenleistung am Erfolg partizipieren. Es bleibt interessant, welche weiteren innovativen Ansätze sich entwickeln werden.

Zielbestimmung: mehr als nur Geld

Wenn man sich mit Crowdfunding beschäftigt, wird schnell deutlich, dass eine solche Kampagne einiges an Zeit beanspruchen kann. Je nach Ziel können auch Kosten auf einen zukommen, zum Beispiel für die Erstellung eines Videos, Marketingausgaben, einen Steuerberater oder Ähnliches. Welche Crowdfunding-Art in welchem Umfang und auf welcher Plattform für das eigene Projekt die richtige ist, lässt sich unter anderem durch das zu verfolgende Ziel definieren.
Während beim Crowdlending und -investing die reine Finanzierung im Vordergrund steht (und dadurch eine weitaus strengere Prüfung durch die Plattformen erfolgt), können mit dem Vorverkaufs- oder Spendenbasierten Crowdfunding auch andere Ziele verfolgt werden. So nutzen einige das Crowdfunding nicht nur, um Gelder einzusammeln, sondern auch zur Vermarktung und/oder Validierung des Projekts. Daher ergibt es Sinn, Crowdfunding nicht nur als Finanzierungsinstrument zu betrachten, sondern auch alle Vorteile in den Blick zu nehmen, die das Arbeiten zusammen mit der Crowd bringen kann.
Im Mittelpunkt einer Crowdfunding-Kampagne steht also die Crowd und damit der Aufbau und die Erweiterung der eigenen Community bzw. Fanbase. Dies ermöglicht nicht nur einen kurzfristigen (finanziellen) Erfolg, sondern bietet darüber hinaus die Möglichkeit, langfristig und nachhaltig Projekte zu finanzieren und zu vermarkten. Wer eine erfolgreiche Kampagne auf die Beine stellt, der hat auch das Marketing seines Vorhabens mit in der Hand, denn Crowdfunding bedeutet einiges an Promotion. Kann man seine Fans überzeugen, profitiert man von Mund-Propaganda. Dabei motiviert der limitierende Aspekt der Zeit, der eine gewisse Dringlichkeit zeigt. Auch die Presse ist an Crowdfunding-Kampagnen, die immer noch als innovatives Ins­trument gelten, oft sehr interessiert. Eine ordentliche Pressemappe sollte bei der Vorbereitung also nicht fehlen.

Crowdfunding: mehr als nur Marketing

Eine professionelle Crowdfunding-Kampag­ne könnte auf den ersten Blick einer Marketing-Kampagne gleichen. Es werden Ziele festgelegt, Zielgruppen definiert, Content für Social Media wird erstellt, es werden Newsletter-Listen aufgebaut, Flyer gedruckt, Pressemappe verschickt – und was einem sonst noch einfällt, um möglichst viele Personen zu erreichen. Es gibt jedoch klare Unterschiede zu einer klassischen Marketing-Kampagne. Beim Crowdfunding sind die ersten Unterstützenden meist der eigene „inner Circle“, also Freunde und Familie bzw. – wenn schon vorhanden – die treuen Fans. Das hat einen wichtigen Grund: Eine Crowdfunding-Kampagne zu unterstützen, ist nicht zu vergleichen mit einer rationalen Kaufentscheidung.
Hinter einer Crowdfunding-Unterstützung steckt in der Regel eine emotionale Verbindung zum Projekt bzw. Produkt oder dem Team. Zwar zielen klassische Marketing-Kampagnen heutzutage auch auf eine emotionale Bindung zum Kunden ab, bei einer Crowdfunding-Kampagne ist diese Verbindung jedoch essenziell.
Eine Crowdfunding-Kampagne zu unterstützen, birgt immer ein gewisses Risiko für die UnterstützerInnen: Bekommt man wirklich das versprochene Produkt? Stimmt die Umsetzungsdauer oder bekommt man das Produkt erst in fünf Jahren? Oder hat sich das Team verkalkuliert und setzt das Projekt gar nicht um? Das kommt zum Glück sehr selten vor, es sind jedoch Ängste, die man seinen Unterstützenden nehmen muss, indem Vertrauen geschaffen wird. Man versteckt sich also nicht hinter einem Logo oder einer unpersönlichen Kampagne, sondern man zeigt sich und sein Team authentisch und transparent. Daher ist auch das Video als Teil der Kampagne sehr wichtig, mit dem man sich gut präsentieren und eine emotionale Verbindung schaffen kann. Marketingtechniken wie das Storytelling haben hier eine besonders wichtige Rolle. Erfolgreiche Kampag­nen wissen genau, wie sie ihre Geschichte so erzählen, dass sie ihre Crowd überzeugen und mitreißen.
Je nach Crowdfunding-Plattform werden unterschiedliche Dinge wie Textbausteine, Bilder, Videos oder Gegenleistungen gefordert. Dafür braucht man aber keinen professionellen Fotografen oder eine Texterin zu beauftragen, denn es geht ja genau darum, sich möglichst authentisch und natürlich – auch in Relation zum gesetzten Ziel und der Finanzierungssumme – darzustellen. Ich möchte daher allen die Angst nehmen, eine Kampagne deshalb nicht zu starten, weil einem vermeintlich die Mittel für eine professionelle Content-Erstellung fehlen. Im Vordergrund steht die emotionale Verbindung, Ehrlichkeit und Transparenz. Wer eine Crowdfunding-Kampagne allerdings als Marketing-Instrument und das Video als Imagefilm nutzen möchte, der darf natürlich auch professioneller auftreten. Es ist jedoch nicht bestätigt, dass ein qualitativ hochwertigeres Video eine höhere Finanzierungssumme bringt.
Neue Projektideen profitieren zudem von der sogenannten Marktvalidierung durch Crowdfunding. Damit ist gemeint, dass die Nachfrage durch die Kampagne direkt und sehr realitätsnah getestet werden kann, indem zum Beispiel der direkte Ticketverkauf getestet wird, noch bevor ein Event überhaupt auf die Beine gestellt wurde. Nicht nur (finanzielle) Risiken können dadurch reduziert werden, man gewinnt zudem auch erste Kunden bzw. Fans. Außerdem erhält man wertvolles Feedback aus der Crowd, um sein Projekt kundennah weiterzuentwickeln.

Eine erfolgreiche Kampagne starten

Der Schlüssel zum Erfolg liegt – neben einem guten Projekt – in der Vorbereitungsphase. Hier sollten genug Zeit und Ressourcen eingeplant werden. In der Regel empfiehlt es sich, mindestens drei Monate vor dem Kampagnenstart mit den Vorbereitungen zu beginnen. Bis dahin sollten das Projektkonzept sowie das Kampagnenziel klar sein. Der Start einer Crowdfunding-Kampagne ergibt erst Sinn, wenn man zum Beispiel ein Musik-Album bereits komplett durchgeplant hat und abschätzen kann, wann die Fans realistisch mit den neuen Songs rechnen können. Hingegen ist es nicht sinnvoll, eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, um Geld für die Technik eines Orchesterkonzerts einzusammeln, wenn die geplante Vorführung bereits während der Kampagnenlaufzeit oder kurz danach stattfinden soll. Denn wie bereits erwähnt, erhält man das Geld in der Regel erst dann ausbezahlt, wenn die Kampagne erfolgreich beendet wurde (und auch dann dauert es je nach Plattform zwei bis vier Wochen, bis alles geprüft wurde).
Des Weiteren wichtig für den Erfolg der Kampagne ist die realistische Kalkulation der Finanzierungssumme, die man einsammeln möchte, denn diese sollte keine Bauchentscheidung sein. Soll die Kampagne als Teil- oder Komplettfinanzierung dienen? Kann ein Teil der Gelder eventuell durch Sponsoren eingesammelt werden? Auf der einen Seite sollte man das absolute Minimum der benötigten Finanzierungssumme kalkulieren, um das Projekt überhaupt starten zu können; auf der anderen Seite auch einen realistischeren Wert, der einen Sicherheitspuffer für unvorhergesehene Dinge mit einberechnet. Versandkosten für Gegenleistungen und eventuell anfallende Steuern sollten dabei ebenfalls nicht vergessen werden.4
Wie wichtig die richtige Kalkulation des Finanzierungsziels ist, lässt sich an dem auf den meisten Plattformen angewandten Alles-oder-Nichts-Prinzip erkennen. Damit ist gemeint, dass man als Projektstartende das Geld nur dann erhält, wenn man sein gewähltes Ziel innerhalb der festgelegten Zeit erreicht. Ist dies nicht der Fall, geht das Geld wieder an die Unterstützenden zurück und man selbst geht leer aus.
Nach einer guten Vorbereitungszeit heißt es während der Kampagnenlaufzeit also: Promotion, Promotion, Promotion. Fans erwarten Updates, haben Fragen oder wollen unterstützen und dazu braucht es einiges an Ressourcen, um die Kommunika­tionskanäle zu bedienen. Ebenso sollten ausreichend zeitliche Ressourcen nach Beendigung der Kampagne eingeplant werden, denn hier geht die Arbeit weiter. Das Versenden der Gegenleistungen steht an, die Crowd wünscht sich weiterhin ein regelmäßiges Update – und natürlich folgt abschließend die Umsetzung des Projekts.

Eine Win-Win-Win-Situation

Crowdfunding bedeutet nicht, mal eben nebenher ein bisschen Geld im Internet einzusammeln; Crowdfunding bedeutet auch Arbeit. Aber Crowdfunding ermöglicht es, die Finanzierung von Projekten zu demok­ratisieren und gemeinsam Großartiges zu erschaffen. Win-Win-Win: für das Projekt, die Unterstützenden und die Gesellschaft. Wer die Crowd als Teil seines Projekts betrachtet und seine Kampagne langfristig denkt, kann nachhaltig davon profitieren. Viele tolle Projekte haben es bereits vorgemacht, jetzt sind Sie dran!

1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/969349/umfrage/prognose-zur-fundingsumme-pro-crowdfunding-kampagne-in-deutschland (Stand: 8.3.2023).
2 www.startnext.com/deichkindcrew (Stand: 8.3.2023).
3 www.kickstarter.com/projects/amandapalmer/amanda-palmer-the-new-record-art-book-and-tour (Stand: 8.3.2023).
4 Beim Vorverkaufs-Crowdfunding gelten die Einnahmen als Umsätze und müssen dementsprechend versteuert werden.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 2/2023.