Stockmann, Angelika

Üben hilft eben doch!

Ein Leitfaden zum lösungsorientierten Üben in Prävention und Therapie, mit einem Vorwort von Eckart Altenmüller

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2022
erschienen in: üben & musizieren 2/2023 , Seite 57

Aufmerksames Wiederholen ist die Basis für gelingendes Musizieren. Doch zu viele Wiederholungen können sowohl die musikalisch-kreative Ausdruckskraft beeinträchtigen als auch die Leistungsfähigkeit der Feinmotorik an ihre Grenzen führen. Um Ausdruck, Freude und Verlässlichkeit beim Musizieren in Balance zu halten, ist Achtsamkeitspraxis gefragt.
Die Cellistin und Musikpädagogin Angelika Stockmann stellt eine reiche Auswahl an Übungen vor, wie diese Achtsamkeit ganzheitlich gepflegt, erhalten oder wieder erlangt werden kann. Ihre Überlegungen fußen auf dem dis­pokinetischen Ansatz der „klingenden Körpersprache“ von Gerrit Onne van de Klashorst und der von Stanley Keleman entwickelten formativen Psychologie des körperlichen sowie emotionalen Selbstmanagements.
Der Band gliedert sich in zwei große Teile. Im ersten Kapitel „Das Üben üben“ werden die Grundlagen des ganzheitlichen Übens und musikalischen Lernens behandelt. Eine gut ent­wickelte Sensomotorik führt zu Leichtigkeit, Schnelligkeit und Treffsicherheit. Sie ist essenziell für alle Musizierenden. Die zugrunde liegenden Bewegungsketten müssen reibungslos funktionieren, um ein Leben lang nutzbar zu sein.
Auch ein scheinbar optimales Training kann Fehler in sich bergen, die eine Spannungsregulierung beim Spielen oder Singen unmöglich machen. Die reine Kompensation von Haltungs- und Bewegungsfehlern kann trügerisch sein, denn sie bewirkt meist nur temporär eine Verbesserung oder verschlimmert sogar die Probleme. Demgegenüber steht der lösungsorientierte Ansatz des Übens, er setzt bei den Ursachen an.
Üben ist eine Art, so die Autorin, sich selbst zu unterrichten. Doch auch das Üben will gelernt sein. Mit Anleitungen zur haltungs- und instrumentenspezifischen Körperarbeit sollen Eigenwahrnehmung, Beweglichkeit sowie Ausdrucksfähigkeit sensibilisiert und trainiert werden. Gezielte Anwendungen, Erfahrungsberichte, kurze Abschnitte und passende Illustrationen sorgen für eine gute Struktur und leichte Nachvollziehbarkeit der Übungen.
Der zweite Teil ist den Chancen und Möglichkeiten von „Retraining und Prävention“ gewidmet. Die Überforderung bestimmter Muskelgruppen kann zur fokalen Dystonie führen. Um die Verlässlichkeit der eigenen Fähigkeiten wiederherzustellen oder um einer Dystonie vorzubeugen, bedarf es einer Veränderung von stereotypen Bewegungs- und Haltungsmustern. Unter fachkundiger Anleitung oder durch Eigeninitiative kann eine Reorga­nisation gelingen. Auch wenn das Lösen einer Spannung eine körperliche und geistige Herausforderung ist und das Retraining ein Weg der kleinen Schritte, der Geduld erfordert, lohnt sich die Mühe. Eine ganzheitliche Herangehensweise verhilft MusikerInnen zu einem bewussteren und gesunden Umgang mit den eigenen Ressourcen.
Juliane Bally