Kuhn, Jessica

Billy Bogen & Gwindi Greifhand

Expedition mit dem Cellobogen. 88 Übungen für Kinder

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Holzschuh, Manching 2022
erschienen in: üben & musizieren 2/2023 , Seite 63

Inspirationsquelle für die vorliegende Publikation war die 1916 erschienene Höhere Bogentechnik des französischen Geigers Lucien Capet. Deren Inhalt und Methodik auch Kindern zugänglich zu machen, hat sich Jessica Kuhn zum Ziel gesetzt. Anders als der Untertitel vermuten lassen könnte, geht es nicht etwa nur um Bogen-„Trockenübungen“. Vielmehr enthält Billy Bogen & Gwindi Greifhand ein Kompen­dium der wichtigsten Stricharten und zugleich aller Dur- und Molltonleitern, der zugehörigen Dreiklänge sowie der arpeggierten Dominant-Sept- und verminderten Akkorde.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Bemühen, die unterschiedlichen Stricharten analytisch und zugleich kindgerecht zu präsentieren. Fingersätze zu den Tonleitern und Dreiklängen werden vorausgesetzt bzw. müssten ergänzt werden.
Jessica Kuhns Internetpräsenz vermittelt den Eindruck einer vielseitigen Musikerin und Lehrerin: im klassisch-romantischen Repertoire ebenso zu Hause wie in der neuen und alten Musik sowie im Tango, Mitglied verschiedener Ensembles, Gründerin und Leiterin der Münchner Konzertreihe „sonorizzonte“.
Billy Bogen & Gwindi Greifhand ist ein fundiertes Unterrichtswerk. Gleichwohl sind Zweifel angebracht, ob die Kluft zwischen avancierter Materie und kind­gemäßer Darstellung überbrückt werden konnte. Kuhn setzt die cellistischen Tätigkeiten in Beziehung zu sportlichen Aktivitäten, die Begeisterung wecken sollen: Skifahren, Surfen, Mountainbikefahren, Trampolinspringen. Dennoch bleibt die Frage, ob Kinder in die Lage gebracht werden können, mit dem Band selbstständig zu arbeiten.
Oder anders herum: Bedürfen SchülerInnen, welche die fortgeschritteneren Übungen spielen können, wirklich noch Animationen durch Billy & Gwindi? Vielleicht erzielt die Ausgabe am ehesten die gewünschte Wirkung, wenn SchülerIn und Lehrkraft es als gemeinsame Arbeitsgrundlage betrachten und somit die kindliche Diktion durch die Lehrperson immer auch ein wenig abgewandelt werden kann.
Die Unterscheidung zwischen „geworfenem Strich“ und Spiccato lässt Fragen offen. In Übung 72 werden mittels der verwendeten Symbole Start- und Landevorgänge des Bogens signalisiert. Beim Spiccato gibt es aber doch keine expliziten „Landungen“? Der Bogen touchiert die Saite aus der Flugbewegung?! Auch erscheint die Verwendung des +-Zeichens im Zusammenhang mit Martelé und „Fliegendem Staccato“ verwirrend, denn dieses Symbol wird gewöhnlich für das Linke-Hand-Pizzicato verwendet. Ein Blick in die Höhere Bogentechnik zeigt indes: Capet macht’s auch so!
Ungeachtet kleinerer Kritikpunkte sei die Ausgabe empfohlen. Sie bietet profundes Übungs­material. Vielleicht wäre überlegenswert gewesen, anstelle der hier und da empfohlenen Ruhepausen kleine Auflockerungs-Stücke einzustreuen.
Gerhard Anders