Telemann, Georg Philipp

Zwölf Fantasien

für Viola da Gamba ohne Bass, arr. für Flöte solo von Leona Rötzsch

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2022
erschienen in: üben & musizieren 4/2023 , Seite 62

Georg Philipp Telemann veröffentlichte seine – erst 2015 wiederentdeckten – Fantaisies pour la Basse de Violle (vulgo: Gambenfantasien) 1735. Will heißen: in einer Zeit, in der die Viola da Gamba bereits deutlich an Bedeutung verlor und gegen höhere und lautere Soloinstrumente wie Geige und Oboe in den Hintergrund trat. Das dürfte dem Komponisten durchaus bewusst gewesen sein und daher fuhr er alle ihm zur Verfügung stehenden Finessen auf, um dennoch Käufer zu finden – die dann gleichwohl sehr gute Gambisten sein mussten.
Naturgemäß wecken solch öffentlichkeitswirksame Solostücke schnell die Begehrlichkeiten anderer Instrumente (respektive SpielerInnen), und so verwundert es nicht, dass von den Gambenfantasien schon kurz nach ihrer Wiederentdeckung eine Version für Blockflöte auf den Markt kam. Nun hat Leona Rötzsch eine weitere für Querflöte (obwohl die Traversflöte ja von Telemann auch zwölf eigene Fantasien bekam) vorgelegt.
Auch die Transkription für Querflöte richtet sich nicht gerade an AnfängerInnen. Gleichwohl hat die Arrangeurin Tonarten gewählt, die sich auf der Querflöte behaglich und ohne allzu viele Oktavversetzungen realisieren lassen. Der Ambitus reicht von h (mit Alternativen für Flöten ohne h-Fuß) bis g”’, die Tonarten sind flötenfreundlich gewählt und insgesamt kann man die Fantasien vom Schwierigkeitsgrad mit einer melodiös bewegteren Händel-Sonate vergleichen.
Die größte Herausforderung besteht bei der Transkription eines im Original (zumindest zeitweise) mehrstimmig komponierten Stücks darin, die mehrstimmigen Passagen auch auf dem einstimmigen Zielinstrument glaubhaft darzustellen. Und das gelingt Rötzsch. Sicher, bei fugierten Passagen muss dieses Bemühen im Ansatz scheitern; hier hat es die Arrangeurin ergo gar nicht versucht. Aber schon Telemann hat die Mini-Fugen auf der Gambe an keiner Stelle durchgeführt und so kann man leicht ­darauf verzichten. Die akkordischen Passagen dagegen sind durch Brechungen oder in die Melodie eingefügte Noten dargestellt, und das wirkt erfreulich überzeugend.
Etwas bedauerlich ist einzig, dass die Arrangeurin die Werke so eindeutig auf die Quer-, nicht jedoch auch auf die Traversflöte ausgerichtet hat — die ja eigentlich, weil authentisch barock, die naheliegendere Alternative gewesen wäre (und in der Höhe auch nicht so laut!). Gleichwohl bleibt es ursupatorischen TraversflötistInnen natürlich unbenommen, die vorliegende Trans­kription zum Ausgangspunkt zu nehmen und die auf ihrem Ins­trument nicht vorhandenen Töne nach eigenem Gusto zu ersetzen. Ganz im Sinne des Barock – und auch der Arrangeurin, die im Vorwort ausdrücklich dazu einlädt, immer wieder mit dem Original zu vergleichen und eigene Versionen zu erarbeiten.
In jedem Fall liegt hier eine schöne Erweiterung des Repertoires vor, die man allen FlötistInnen nur ans Herz legen kann!
Andrea Braun