Menke, Ulrich

Das Methoden-Navi

Routenplaner zu einem erfolgreichen Instrumental- und Ensembleunterricht

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2023
erschienen in: üben & musizieren 3/2024 , Seite 58

Warum gerät die Motivation für eine Beschäftigung mit einem Musikinstrument häufig ins Stocken, obwohl doch zunächst eine große Begeisterung da ist? Hier kann, so Ulrich Menke in seinem Methoden-Navi, ein schrittweise aufgebautes Trainingskonzept helfen, das die zentralen Grundprinzipien der Achtsamkeitslehre übernimmt, statt den Schüler oder die Schülerin beim einsamen Üben von (schweren) Stellen alleine zu lassen.
Menke macht deutlich, dass es Grundlage seines achtsamen pädagogischen Handelns und die Idee seines Methoden-Navis ist, den Schüler oder die Schülerin zu einer stetig wachsenden Autonomie zu führen, eine Autonomie, bei der die Lernenden die Verantwortung für ihre Lernprozesse allmählich und dauerhaft selbst übernehmen können. Um forschende Neugier, um die Selbstverantwortung der SchülerInnen dreht sich für ihn alles. Ein durch häufigen Methodenwechsel spannend gestalteter Unterricht soll die Frage des Lernenden, vor der sich alle PädagogInnen fürchten, verhindern: „Wie lange muss ich noch üben?“
Zielgruppe des Methoden-Navis sind in erster Linie Instrumental- und Ensemblelehrende, auch die, welche mit heterogenen Lerngruppen musizieren möchten. Lehrkräften, die in allgemeinbildenden Schulen – zum Beispiel im Klassenmusizieren aller Jahrgangsstufen – unterrichten, will vorliegendes Buch abwechslungsreiche und klare Routen an die Hand geben, die die Schülerinnen und Schüler systematisch zu ihren musikalischen Zielen führen. Einerlei ist, mit welchem Instrument musiziert wird: Menkes Methoden-Navi richtet sich, auch wenn die Beispiele zumeist aus der Streicherliteratur stammen, an die ganze Bandbreite des Instrumental- und Vokalunterrichts.
Der Hauptteil des Buchs besteht aus 18 sogenannten Trainingsaufträgen. Menke stellt darin grundsätzlich bereits bekannte Methoden wie bei einem Zirkeltraining zu Routen zusammen, skizziert sie jeweils kurz, begründet und erläutert sie anschließend ausführlich. Mit einem Warm-up, also mit Aktivierungs- und Aufwärmübungen wie im Sport, sollte jedes Training am Instrument beginnen. Das Warm-up reicht vom Körper- und Haltungs-Check über Muskel­aktivierung bis hin zum Spiegelcheck, also der Selbstkontrolle. Einige weitere Stationen sind z. B. das „Kofferpacken“, unter dem Menke ein allmähliches Auswendiglernen einer Melodie versteht, basierend auf der Idee des beliebten Merkspiels: also erst eine Note, dann zwei, dann drei Noten auswendig zu lernen, bis hin zu einer ganzen Melodie oder einem ganzen Stück.
Das „Auswärtsspiel“ ist ein Trainingsauftrag speziell für SpielerInnen von Saiteninstrumenten. Ihnen kann es Freude und Gewinn bereiten, eine Passage, die auf zwei benachbarten Saiten liegt, auf zwei andere Saiten zu übertragen. Hier muss man einschränken, dass dies bei der Gitarre nicht immer funktioniert, weil sich – je nach Saitenpaar – aufgrund der unterschiedlichen Intervalle zwischen den sechs Saiten auch abweichende Intervalle in der Melodiepassage ergeben können.
„Prima Vista“ stellt selbst manch fortgeschrittenen Spieler vor große Schwierigkeiten, zumal in flotteren Tempi. Menke empfiehlt in seiner Trainingseinheit zum Vom-Blatt-Spiel, sich erst einmal auf die wesentlichen Noten und den Rhythmus zu konzentrieren: „Rhythm first!“ Die Nebennoten können zuerst einmal mit sogenannten „Ghost Notes“ nur markiert werden. Der letzte Trainingsauftrag widmet sich dem Auftritt vor Publikum. Er soll laut Methoden-Navi nicht nur Ziel des Trainings sein, sondern selbstverständlicher Teil des Trainingsprogramms. Vom erhöhten Herzschlag bis zu den berüchtigten feuchten Händen oder trockenen Lippen: Menke gibt Tipps und macht Mut.
Im Schlussteil geht Menke auf unterschiedliche Formen der Achtsamkeit ein, um dann zum Finale den Musizierraum in den Mittelpunkt zu rücken. Der reine Überaum, die berüchtigte Übe­zelle, weicht dem musikalischen Trainingsplatz als Ort mit hoher Aufenthaltsqualität, dem „Heimspiel“. Nicht die funktionale Ausstattung sollte im Vordergrund stehen, entscheidend sei seine Wahrnehmung als Wohlfühlort, zu dem durchaus auch Tapetenfarbe, Plakate mit Komponisten oder Pflanzen ihren Teil beitragen können.
Die Chancen – darauf verweist André Lee, Facharzt für Neurologie und Musiker-Medizin aus Hannover, in seinem klugen Vorwort – stehen nicht schlecht, dass mit Menkes Trainingsaufträgen ein forschender Ansatz und neugierige, kreative Exploration beim Finden einer individuell passenden Methode gefördert werden können.
Uwe Sandvoß