Senfter, Johanna

6 Walzer

für Klavier vierhändig, hg. von Dieter Michael Backes

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2023
erschienen in: üben & musizieren 3/2024 , Seite 61

Johanna Senfter (1879-1961) war eine sehr produktive Komponistin, deren Werke es zweifellos verdienen, mehr ins Bewusstsein zu dringen. In dieser Sammlung werden erstmals sechs Walzer aus der Studienzeit der damals Anfang zwanzigjährigen Komponistin veröffentlicht, die eine willkommene Ergänzung des Repertoires für das vierhändige Musizieren bilden.
Hervorzuheben ist die kammermusikalische Anlage der Stücke, in denen das thematische Material oft zwischen den Parts hin und her wandert. Die Walzer sind kurz und von sehr moderatem Schwierigkeitsgrad. Nur der letzte Walzer mit seiner etwas mehr als doppelten Ausdehnung im Vergleich zu den anderen weckt die Vermutung, dass er vielleicht auch als Finale für den ganzen Zyklus dient, die Stücke also gegebenenfalls auch im Zusammenhang gespielt werden können. Lediglich einer der Walzer (Nr. 3) enthält eine eigenständige Tempobezeichnung (Vivace), ansonsten steht nur über dem ersten Stück „Walzerzeitmaß“. Trotzdem muss das nicht heißen, dass alle anderen im gleichen Tempo zu spielen sind, denn die Charaktere sind durchaus etwas verschieden.
Musikalisch am überzeugendsten erscheinen mir die Walzer Nr. 4 und 5 in b-Moll und D-Dur, die eine deutlich poetischere Atmosphäre ausstrahlen als die anderen. Die Ausgabe enthält bis auf zwei kleine Stellen keine Fingersätze. Da im oberen Part die beiden Hände ziemlich häufig im Unisono spielen, wird es nötig sein, sich dafür gute Fingersätze zu überlegen. Der untere Part ist einfacher, nur manchmal gibt es Doppelgriffe im Legato, für die man passende Fingersätze ausprobieren muss.
Das Notenbild ist sehr klar, es gibt Taktzahlen und die Verteilung der Takte auf die Zeilen ist in beiden Parts gleich. Das erleichtert das gemeinsame Üben. Trotzdem ist es sehr schade, dass der Verlag sich nicht zu einer Notation in Partiturform entschieden hat. Der Fakt, dass jeder Spieler, jede Spielerin vor sich nur den eigenen Part hat, ist nur eine scheinbare Erleichterung. Die musikalische Struktur ließe sich viel einfacher erfassen, wenn beide immer den gesamten Notentext vor Augen hätten, auch wenn sie dabei etwas mehr nach links oder rechts schauen müssten. Das Ineinandergreifen der beiden Parts, also letztlich die kammermusikalische Qualität der Stücke, erschließt sich in der jetzigen Notationsform jedenfalls nicht so gut.
Im kurzen Vorwort des Herausgebers werden die Stücke in das Gesamtschaffen der Komponistin eingeordnet, werden vor allem Bezüge zu ihren Vorbildern Chopin, Brahms, Schumann und Reger, ihrem späteren Lehrer, beschrieben. Leider wurden dort zwei grammatische Fehler übersehen.
Fazit: Die sehr übersichtliche, noch wenig komplexe harmonische Sprache der Stücke, die eher an Walzer von Brahms als an Reger denken lässt, und die nicht allzu großen technischen Anforderungen machen die Stücke zu einem geeigneten Material für Liebhaberinnen und Liebhaber vierhändigen Musizierens.
Linde Großmann