Fischer, Stine / Sebastian Jung / Fabian Werner
MusikDurchblick!
Musiktheorie verstehen – Musik erleben, mit Online-Material
MusikDurchblick! ist der Name eines Online-Tutorials mit Videos zu Musiklehre und Musiktheorie sowie einem Shop mit Lern- und Lehrmaterialien. Im Abonnement stehen derzeit 240 Videos zur Verfügung, eine Auswahl ist bei YouTube frei zugänglich. In jeweils vier bis acht Minuten erklärt meist Sebastian Jung ein Thema oder Teilthema, oft aufeinander aufbauend oder bezugnehmend. Geworben wird mit dem Versprechen, Musiktheorie leicht, schnell und erfolgreich lernen zu können, in einer coolen Vermittlung mit Spaßfaktor.
Dieses Konzept liegt jetzt zusätzlich in Buchform vor. Hier sind die Texte kürzer gehalten, in relativ einfacher, doch nicht unpräziser Sprache. Im Buch beschränken sich die inhaltlichen Felder auf sechs Kapitel: Notenschrift, Rhythmus, Intervalle, Tonleitern, Harmonik und Tonarten, ein Praxis-Kapitel folgt als Abschluss. Mit Ausnahme des letzteren entspricht dies dem üblichen Aufbau Allgemeiner Musiklehren, wobei Tonleitern und Tonarten meist zusammen dargestellt werden, erweiternde Bereiche wie Formenlehre oder Instrumentenkunde fallen weg. Der Veranschaulichung dienen Noten im Violinschlüssel sowie die Klaviatur, den Kapiteln sind Arbeitsblätter, Hörbeispiele und MusikDurchblick!-Videos zugeordnet, die über QR-Codes abrufbar sind.
Die Methodik ist konventionell. Erklärungen erfolgen in Darstellungstexten und (auch farbig ausgeführten) Notenbeispielen und Abbildungen, Lösungen der Arbeitsblätter stehen zum Abgleich nach deren Bearbeitung bereit. Das Auszählen von Halbtönen, die sprachliche Unterteilung von Rhythmen oder das Memorieren von Intervallen mittels Liedanfängen sind bewährte, traditionelle Vorgehensweisen. Hintergründe (z. B. zur Stimmung, zu reinen Intervallen oder zu Kadenzen) müssten an anderen Orten recherchiert werden. Übungen zur Rhythmik werden kaum auf konkrete Musikstile bezogen, Notenwerte und Pausen optisch nicht immer auf die Zählzeiten ausgerichtet.
Sachlich ist der Band zuverlässig, einige Unstimmigkeiten fallen nicht stark ins Gewicht. So werden etwa Akkordumkehrungen anhand der rechten Griffhand erläutert, sie könnten mit Lagen verwechselt werden. Auf Seite 40 wird eine kleine Terz eine große genannt. Eine Aufgabenstellung wie „Vervollständige die Takte mit passenden Notenwerten“ kann zu unterschiedlichen Lösungen führen, welche explizit nicht intendiert sind.
Zwar wird wiederholt auf das praktische Ausprobieren verwiesen, doch gibt es hierzu kaum Anleitungen. So bleibt es wohl bei gewohnten schriftlichen Übungen, die sich ähnlich in Musiklehren und Schulbüchern finden. Dort gehen sie nicht selten mit der angeprangerten Unlust und Frustration bei musiktheoretischen Fragen einher. Dass diese sich mit MusikDurchblick! zu Lust und Leichtigkeit wandeln, bleibt ein Postulat.
Das Gelernte soll in einer Songwerkstatt angewendet werden. Die Diskrepanz zwischen dem professionell produzierten Song Chosen Family und eigenen Versuchen dürfte groß werden. Beim Songschreiben werden Fragen auftauchen, die zuvor wenig thematisiert wurden, z. B.: Wie notiere ich den für die Melodie gefundenen Rhythmus? Wie gestalte ich einen Klaviersatz? Warum enthält die Hookline harmoniefremde Töne? etc.
Auch ließe sich fragen, warum ein Song notiert werden sollte, wenn möglicherweise Musikprogramme genutzt werden, die dies nicht erfordern oder Songschreiber Vorbild sind, die ohne Noten arbeiten. Natürlich kann eine Notation hilfreich sein für das Merken und Einüben, sie zu erstellen ist oft schwierig. Für das Songwriting wären vermehrt gezielte Übungen wünschenswert, z. B. zu Off-beats, ebenso Erläuterungen zu Modi, die bei den Tonleitern ausgespart sind.
Zum Zielpublikum gehören laut Selbstverständnis Lehrkräfte, SchülerInnen und deren Eltern sowie Autodidakten. Musikdurchblick! kann auf verschiedenen Ebenen nützlich sein, für erste Einstiege, zum Repetieren und Nachschlagen, zum Üben. Videos haben als mediales Format Vorteile gegenüber dem Buch, in diesen wird vieles unmittelbar hörbar gemacht, stärker visualisiert, der jeweilige Inhalt klar umgrenzt, sie sind erweiterbar und ermöglichen durch Links schnelle Zugriffe zu verwandten Inhalten. Es ist begrüßenswert, für das Lernen der Grundlagen der Musik zu werben, doch cool und easy wird Musiktheorie auch zukünftig kaum sein.
Christian Kuntze-Krakau