de Laleu, Aliette
Komponistinnen
Frauen, Töne & Meisterwerke, aus dem Französischen übersetzt von Petra Willim
Die musikalische Welt ist, so scheint es, von Männern geprägt. Dieses Bild will die französische Musikwissenschaftlerin Aliette de Laleu korrigieren und mit ihrem Buch einen Beitrag zu der, wie sie schreibt, „unermesslichen Aufgabe“ leisten, Frauen in der Musik zu rehabilitieren.
Beginnend mit der Antike spürt sie dem weiblichen Wirken in der Musikgeschichte nach, erzählt von der Dichterin und Sängerin Sappho, die als „begabte, allerdings vermeintlich unsittliche Künstlerin“ galt, oder von der Komponistin Kassia, der einzigen Frau, die von den Hymnographen der byzantinischen Kirche lobend erwähnt wurde. Sie erinnert daran, dass Hildegard von Bingen nicht nur als Heilerin, sondern auch als Komponistin von mehr als 70 religiösen Liedern in Erscheinung trat, und beleuchtet das Schicksal der Troubairitze, der weiblichen Troubadoure in Frankreich, die mitunter als Hexen und fleischgewordene Teufel dargestellt wurden. In der Barockzeit waren Frauen wie Barbara Strozzi oder Francesca Caccini (die erste bekannte Opernkomponistin) als Künstlerinnen anerkannt, und im Frankreich der Französischen Revolution konnten Frauen zumindest in der Opéra-comique reüssieren, bevor sie unter Napoleon wieder „zum Schweigen verdammt“ wurden.
Es ist ein faszinierender Streifzug durch die weitgehend unbekannte weibliche Seite der Musikhistorie, bei dem deutlich wird, dass Frauen sich trotz aller Anfeindungen stets musikalisch ausdrückten und für ihre Musik eintraten. So etwa die Sängerin und Komponistin Julie Candeille, die sich Ende des 18. Jahrhunderts vehement gegen die Meinung, Sängerinnen seien als Kurtisanen anzusehen, zur Wehr setzte. Oder wie Abbie Conant, die noch in den 1980er Jahren ganze 13 Jahre um eine Stellung als Solo-Posaunistin in der Münchner Philharmonie kämpfen musste. Dabei war man schon weiter gewesen, etwa mit den beliebten Frauen-Blasorchestern um die Jahrhundertwende, und die Autorin geht der Frage nach, wie es zu diesem Rückschritt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommen konnte.
All das ist gleichermaßen unterhaltsam wie informativ. De Laleu erzählt von Frau Bach, die womöglich einige der ihrem Mann zugeschriebenen Suiten komponiert hat, von der hochbegabten Nannerl Mozart, die als Frau auf eine musikalische Karriere verzichten musste, von Fanny Mendelsson, Clara Schumann und Alma Mahler, von Nadia Boulanger, der Vorreiterin der Dirigentinnen, oder vom schwierigen Weg schwarzer Sängerinnen in den USA. Zur Abrundung fügt de Laleu am Ende jedes Kapitels eine Liste mit Musikvorschlägen an, mit der das Gelesene musikalisch untermalt und verdeutlicht werden kann. Mit ihrem Buch ermutigt die Autorin kommende Generationen von Musikerinnen, im Kampf für Gleichberechtigung nicht nachzulassen.
Irene Binal