Wittrich, Peter
Der kleine Prinz
Poetische Miniaturen für Klavier zu vier Händen
Insgesamt 14 fantasievolle vierhändige Charakterstücke zur Erzählung Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupery enthält diese spannende Neuerscheinung. Peter Wittrich (*1959), langjähriger Professor für Musiktheorie an der Musikhochschule in München, hat in einer gemäßigt zeitgenössischen Tonsprache mit diesen poetischen Miniaturen ein großes Spektrum interessanter Klänge und Rhythmen ausgelotet. Den SpielerInnen wird Einiges an Erfahrung im Zusammenspiel abverlangt, vor allem was die Rhythmik und die dynamische Ausgewogenheit des Klaviersatzes betrifft. Das klangliche Ergebnis ist vielseitig und bietet immer wieder spannende Überraschungen.
Elf Charakterstücke orientieren sich an der Geschichte des kleinen Prinzen. Drei weitere sind als Zugaben für die Weihnachtszeit gedacht. In diesen klingen einige bekannte Weihnachtslieder an. Beim dritten Zugaben-Stück Ein blühender Rosengarten ist entsprungen ist das Lied Es ist ein Ros entsprungen, eingebettet in zumeist zarte Klänge, geschickt eingearbeitet. Beim Sternschnuppenglanz über dem Christbaum werden die leuchtend-silbrigen Klänge des Primo-Parts durch frei zu spielende Glissandi ergänzt. Der Schwierigkeitsgrad der elf Hauptstücke ist unterschiedlich. Schlicht, mit guter Laune wird der kleine Prinz im ersten Charakterstück vorgestellt. Bei Sphärenklänge vom Heimatasteroiden gibt es interessante metrische Aufteilungen des 9/8-Takts in 6+1+2 und in 2+1+6. Zur weiteren rhythmischen Verfeinerung wird die von György Ligeti in seiner dritten Klavieretüde eingesetzte Technik der „Touches bloquées“ von Peter Wittrich verwendet, was zu spannenden rhythmischen Veränderungen führt.
Der Geschäftsmann auf dem vierten Planeten wird von motorisch laufenden Achtelbewegungen geprägt, welche immer mal wieder durch wechselnde Takte und rhythmische Einwürfe des Secondo-Parts angetrieben oder durchbrochen werden. Später kommt noch ein gut gelaunter Jazz-Swing dazu. Das Ständchen für den Laternenanzünder ist eine im ruhigen Satzbild gehaltene Serenade, während das Erscheinen der Blume in vollem Ornat zu einem harmonisch und rhythmisch dichten, komplexen Satz anwächst. Der Sternen-Kanon kann mit bis zu fünf Stimmen ausgeführt werden. Fließende Sextolen, mit der poetischen Spielanweisung „fluentemente, con grande calma; come trasportato dal vento“ auszuführen, prägen das Schlussstück Rückkehr zum Heimatplaneten.
Die hervorragenden Charakterstücke lassen sich gut im Konzert spielen, eventuell kombiniert mit einigen Textauszügen aus dem zugrunde liegenden Werk. Sie sind gleichzeitig eine ausgezeichnete Heranführung an eine erweiterte und freie Tonalität und an rhythmische Gestaltungselemente der Neuen Musik. Der Schwierigkeitsgrad bewegt sich etwa von der unteren bis zur oberen Mittelstufe. Die Satzüberschriften regen die Fantasie an und animieren zu einer fantasievollen Klanggestaltung.
Christoph J. Keller