Höpfl, Claudia / Anne Fritzen / Stefanie Dzjubak
Nachhaltig gestimmt?!
Was Lernende mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit an Musikschulen beschäftigt
„Kunst soll nicht zerstören!“ So lautete die Antwort eines Schülers auf die Frage, ob und wie die Themen Musik und Nachhaltigkeit zusammenhängen. Darin steckt unter anderem auch der Gedanke: Kunst kann, ebenso wie nachhaltiges Handeln, einen positiven Beitrag zur Gestaltung unseres Lebensraums leisten.
Was bewegt Schülerinnen und Schüler mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit und Musik? Sehen sie einen Zusammenhang zwischen künstlerischem und nachhaltigem Handeln oder existiert in ihrer Lebenswirklichkeit beides unverbunden nebeneinander? Und welche Handlungsoptionen sehen sie selbst im Umfeld ihrer Musikschule? Diesen Fragen möchten wir anhand von Ausschnitten aus Diskussionen mit Lernenden und Antworten aus einer Online-Befragung nachspüren. Hierfür wurde im April 2025 das Projekt „Nachhaltig gestimmt“ initiiert. Es entstand zum einen ein Fragebogen, den 122 Kinder und Jugendliche beantworteten. Zum anderen fand ein Workshop mit zehn Mitgliedern eines kleinen Orchesters einer thüringischen Musikschule statt, in dessen Rahmen ein Fokusgruppeninterview durchgeführt wurde.1
Perspektiven auf den Klimawandel
Umwelt- und Klimaschutz gehören zu den politischen Themen, die Kinder und Jugendliche mit am stärksten interessieren.2 Allerdings fehlen insbesondere Kindern häufig Informationen über gesellschaftliche und politische Handlungsmöglichkeiten, um Umwelt- und Klimaproblemen zu begegnen.3 Gerade deshalb scheint es besonders wichtig, sie umfassend zu informieren. Dies gilt jedoch auch mit Blick auf kulturelle Spielräume. Denn Klimapsychologie und -soziologie plädieren zunehmend dafür, die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Klimawandel stärker zu nutzen.4 Aus diesem Grund halten wir es für notwendig, auch in Musikschulkontexten und im Instrumental- und Gesangsunterricht auf das Thema zu reagieren.
Studien zeigen, dass Kinder tendenziell den wissenschaftlichen Konsens zu von Menschen verursachten Folgen der Klimakrise eher akzeptieren als Erwachsene.5 Dementsprechend zeigen sie häufig auch ein höheres Maß an Besorgnis, wenn sie mit Nachrichten zu extremen Wetterereignissen, Auswirkungen des Klimawandels oder zur Verschlechterung ökologischer Stabilität konfrontiert werden.6 Etwa ein Drittel der Kinder in europäischen Ländern und 45% weltweit geben an, negative Auswirkungen auf ihr alltägliches Leben zu sehen.7 Sie erleben durch die Klimakrise existenzielle Sorgen und Ängste, die – je nach Darstellung, Intensität sowie individueller Disposition – zu psychischen Belastungen wie Angstzuständen, Schlafstörungen oder depressiven Symptomen führen können.8
Musik kann hier mit Blick auf Belastungen zum einen als Rückzugsraum dienen, zum anderen aber auch durch „ihr utopisches Potenzial die Vision einer besseren künftigen Welt entstehen lassen“9 und damit Zuversicht fördern. Ebenso bergen die Künste aus wissenschaftlicher Sicht das Potenzial, sich emotional mit Daten, Fakten und Problemen auseinanderzusetzen, die auf rein kognitiver Ebene manchmal schwer verständlich oder greifbar sind. Hierdurch kann Reflexion angeregt werden, die die Lücke zwischen Wissen um die Dringlichkeit der Thematik und (unterlassenen) nachhaltigen Handlungen verringern10 und einen gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess durch Kultur anstoßen kann. Das Imaginieren einer positiven Zukunft, eine emotionale Auseinandersetzung mit der Thematik sowie das Finden individueller Handlungsstrategien tragen dazu bei, dass Kinder und Jugendliche im Sinne positiver persönlicher Bewältigungsstrategien konstruktiv mit dem Klimawandel umgehen können.11
Dennoch richtet sich das Interesse von Kindern nicht ausschließlich auf individuelle Maßnahmen. Bereits im Grundschulalter sind sie vielfach in der Lage, Gerechtigkeitsaspekte wahrzunehmen sowie Fragen der inter- und intragenerationalen Gerechtigkeit im Kontext klimabezogener Ressourcendilemmata zu berücksichtigen.12 Ob dies auch für den Bereich nachhaltiger Aktivitäten mit Blick auf Instrumental- und Gesangsunterricht sowie Musikschulbelange insgesamt gilt, wird im Folgenden zu bedenken sein.
1 Da sich sowohl der Fragebogen als auch der Workshop an minderjährige MusikschülerInnen richteten, wurde vorab ein Votum durch den Ethikausschuss der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar eingeholt. Zur Risikominimierung wurden interessierte Personen über mögliche entstehende Ängste und Gefühle aufgeklärt. Zudem wurden verschiedene Gesprächsangebote aufgezeigt.
2 vgl. Melchert, Johannes: „Politische Themen. Was Grundschulkindern wichtig ist“, in: Blöcker, Yvonne/ Hölscher, Nina (Hg.): Kinder und Demokratie. Zwischen Theorie und Praxis, Schwalbach 2014, S. 99-116, hier: S. 107 ff.; Albert, Mathias et al. (Hg.): 19. Shell Jugendstudie. Jugend 2024, Weinheim 2024, S. 14 ff.
3 vgl. Blöcker, Yvonne/Redlich, Birgit: „Grundschulkinder und ihre Sichtweisen auf Umwelt und Klimaprobleme“, in: Polis, Heft 2, 2021, S. 17-19, hier: S. 19.
4 vgl. Galafassi, Diego et al.: „‚Raising the temperature‘: the arts on a warming planet“, in: Current Opinion in Environmental Sustainability, 2018, S. 71-79.
5 vgl. Burke, Susie E. L./Sanson, Ann V./Van Hoorn, Judith: „The Psychological Effects of Climate Change on Children“, in: Current Psychiatry Reports, Heft 1, 2018, Artikel 35, S. 3, doi: 10.1007/s11920-018-0896-9 (Stand: 28.8.2025).
6 vgl. Smith, Tawnya D.: „Music Education for Surviving and Thriving“, in: Frontiers in Education, 2021, S. 6, https://doi.org/10.3389/feduc.2021.648799 (Stand: 28.8.2025).
7 vgl. Hickman, Caroline et al.: „Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey“, in: Lancet Planet Health, Heft 5, 2021, S. 863-873, hier: S. 866, doi: 10.1016/S2542-5196(21)00278-3 (Stand: 28.8.2025).
8 vgl. Burke/Sanson/Van Hoorn, S. 1.
9 Mahlert, Ulrich: „Bewusstsein bilden – den Kopf aus dem Sand ziehen. Die Initiative ,Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit‘ an der Universität der Künste Berlin und Möglichkeiten ihrer Konkretisierung im Umfeld von Musizierpädagogik“, in: üben & musizieren.research, Sonderausgabe Artistic Citizenship 2023, S. 124-134, hier: S. 127, www.uebenundmusizieren.de/artikel/research_ artistic-citizenship_mahlert (Stand: 28.8.2025).
10 vgl. Galafassi; s. auch Keuchel, Susanne: „Zum Potenzial der Kultur für die Agenda 2030“, in: Braun-Wanke, Karola/Wagner, Ernst (Hg.): Über die Kunst, den Wandel zu gestalten. Kultur – Nachhaltigkeit – Bildung, Münster 2020, S. 39-47.
11 vgl. Burke/Sanson/Van Hoorn, S. 4 f.
12 vgl. Gaubitz, Sarah: Wertorientierungen von Grundschulkindern im Kontext nachhaltiger Entwicklung, Wiesbaden 2018, S. 292 und 294.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2025.