© Musikschule Spandau

Heger, Anabel / Dirk Uka

Der GrooveLiner

Musikschule Spandau on the road

Rubrik: Musikschule
erschienen in: üben & musizieren 5/2025 , Seite 32

Klangvoll und farbenfroh rollt der neue Musikschulbus GrooveLiner seit Mitte Juni durch den westlichsten der zwölf Berliner Bezirke und bringt Kindern und Jugendlichen in den bildungsferneren Stadtvierteln Unterricht, Probenraum, Aufnahmestudio und Instrument direkt vor die Haustür.

Bei ihrem Amtsantritt als Leiterin der Musikschule Spandau im Jahr 2021 wurde Anabel Heger auf den ausgemusterten Bus der örtlichen Stadtbibliothek aufmerksam, der einst als fahrendes Büchermobil unterwegs gewesen war: „Da kam mir sofort die Idee eines mobilen Musikschulraums für aufsuchende Angebote im Bereich Popmusik bzw. Digitales.“ Mit Fördermitteln der Europäischen Union, des Programms KuBiST, der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, der Stiftung Markstein sowie des Freundeskreises der Musikschule Spandau e.V. brachte sie schließlich Planung und Entwicklung des GrooveLiners auf den Weg.
Ausschreibungen zur Instandsetzung, zum Innenausbau, zum Außendesign bis hin zum musikalisch-technischen Equipment folgten, bis schließlich jede E-Gitarre, jedes Mischpult und jeder Kopfhörer am Platz waren und der Bus im Sommer 2025 Fahrt aufnehmen konnte. Fortan bietet er Kindern und Jugendlichen einen Ort zum Entdecken ihrer eigenen Fähigkeiten, zum Ausprobieren und Musizieren und zum kreativen Miteinander – ein Novum in der mehr als 75-jährigen Geschichte der Musikschule Spandau.

Silent-Arbeitsplätze

Pädagogisch werden mit dem GrooveLiner neue Wege beschritten, denn sein Unterrichtskonzept geht über den traditionellen Einzel- bzw. Gruppenunterricht hinaus und ermöglicht mehr als eine angeleitete Bandprobe. Beides bleibt natürlich möglich und wird praktiziert, darüber hinaus aber bietet der Bus etwas Besonderes, denn er verfügt über zwei Silent-Arbeitsplätze.
An jedem dieser Arbeitsplätze können bis zu sechs Personen unabhängig voneinander oder auch in allen möglichen Kombinationen miteinander musizieren. Ermöglicht wird dies durch den Silent-Mixer, eine Art Mischpult, an das sowohl die Bordinstrumente, also E-Schlagzeug, Keyboard, E-Bass, E-Gitarre und Mikrofon, angeschlossen werden als auch die entsprechende Anzahl von Kopfhörern und gegebenenfalls Tablets, sodass alle Musizierenden das jeweils eigene Spiel auf dem eigenen Kopfhörer hören. Zusätzlich können alle Teilnehmenden selbstständig jeden anderen Kanal auf den eigenen Kopfhörer dazu mischen, sodass Interaktion und Jamsessions auf natürliche Art entstehen – und alle auch von und mit allen anderen lernen können.
Beide Abteile des GrooveLiners sind außerdem mit einem zusätzlichen Mischpult und einer PA ausgestattet, sodass aus der Stillarbeit per Knopfdruck jederzeit eine laute Bandprobe werden kann. Entstehen in der Arbeit dann eigene Songs oder besonders gelungene Versionen bekannter Titel, können sie direkt mitgeschnitten werden, da der Bus über einen Arbeitsplatz mit digitaler Aufnahmetechnik verfügt.

„GrooveLab“ als ­Ausgangspunkt

Ausgangspunkt für diese Art des Arbeitens ist das an die Montessori-Pädagogik angelehnte Konzept „GrooveLab“, das von zwei Musikpädagogen der Musikschule Lahr, Andreas Kopfmann und Florian Schmid, 2015 ins Leben gerufen wurde und seither stetig weiterentwickelt wird. Selbstbestimmt lernen die Kinder und Jugend­lichen in einer vorbereiteten Umgebung Instrumentaltechnik und Zusammenspiel, während die Lehrkräfte, in der Regel erfahrene MultiinstrumentalistInnen aus dem Bereich Pop/Rock, sich vor allem als Lernbegleitende verstehen. Dabei sollen die Materialien – Instrumente mit farbig markierten Tasten oder Bünden, einfach, grafisch und farbig notierte Songs, Tablets mit entsprechend eingerichteten Apps – die Neugier der Teilnehmenden wecken, sie zum eigenen Tun anregen und die Musik sinnlich erfahrbar machen. Auch hier also ein niederschwelliger Zugang und gleichzeitig eine wesentliche Grundlage, um die kognitive Durchdringung musikalischer Sachverhalte anzubahnen.
Bereits seit September 2024 besteht dieses Angebot auch in den Räumen der Musikschule Spandau und wird von Kindern und Jugendlichen dankbar angenommen. Jeweils zwischen 15 und 19 Uhr sind die Türen des GrooveLabs geöffnet, die Teilnehmenden bestimmen selbst, wann sie kommen und gehen und welches Instrument und welchen Song sie am jeweiligen Tag spielen möchten. Dabei herrschen keineswegs Beliebigkeit und Chaos, sondern eine entspannte, offene Lernatmosphäre ohne Druck, die Möglichkeiten bietet, neue Ins­trumente und Songs kennenzulernen, sei es von anderen SpielerInnen oder angeregt durch eine Lehrkraft. Und so funktioniert auch das Arbeiten im GrooveLiner, insbesondere in der Kooperation mit dem Jugendzentrum Klubhaus Falkenhagener Feld.

Der GrooveLiner als Outreach-Projekt

Im Rahmen des GrooveLiner-Projekts geht die Musikschule neue Kooperationen mit zunächst drei Grundschulen und einem Jugendzentrum in den Quartieren Heerstraße Nord und Falkenhagener Feld ein und möchte so vor allem sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche direkt vor Ort erreichen.
Denn ein wichtiger Grund, weshalb diese Kinder und Jugendlichen bislang kaum an den Angeboten der Musikschule teilnehmen, sind die weiten Wege zu den Lernstätten: Etwa 50 Prozent ihres Unterrichts erteilt die Musikschule Spandau in ihren eigenen Räumen in der Spandauer Altstadt, 43 Prozent des Unterrichts findet in den Räumen allgemeinbildender Schulen statt, die ebenfalls recht zentral liegen. Die Schülerinnen und Schüler der Musikschule stammen meist aus bildungsinteressierten Elternhäusern, gerade in jüngeren Jahren werden die Kinder häufig zum Unterricht gefahren, wenn dieser weiter entfernt vom eigenen Wohnort stattfindet.
Laut der Studie „Wege zur Musik“ des Deutschen Musikinformationszentrums ist die Nähe zum Lernort allerdings ein wesentlicher Faktor für den Erfolg musischer Angebote, wie im Übrigen auch für die Beliebtheit einer Musikschule. „Und genau hier setzen wir an, indem wir aktiv auf die Kinder und Jugendlichen zugehen und ihnen die Musik direkt in den Kiez bringen“, erklärt Dirk Uka, Fachgruppenleiter für Schulkooperationen. Da mit dem Projekt nicht gewinnorientiert gewirtschaftet wird, erhebt die Musikschule Spandau für dieses Outreach-Angebot auch kein Entgelt.
So bekommen die jungen Menschen sehr niederschwellig die Möglichkeit, sich selbst und die Musik praktisch zu erfahren, am Instrument, mit der Stimme, im Zusammenspiel mit anderen – auch wenn zuhause keine Kapazitäten vorhanden sind, um ein teures Instrument zu finanzieren oder einen ungestörten Ort zum Üben bereitzustellen. Der Bus bereichert die kulturelle Basisinfrastruktur in den Quartieren, erhöht die Versorgungsdichte der Musikschule und schafft einen kreativen Begegnungsraum, in dem das Miteinander durch die Musik gelebt werden kann.

Neues Publikum für die Musikschule

Mit dem GrooveLiner kommt die Musikschule Spandau direkt zu den Kindern und Jugendlichen und führt sie an die Musik heran, offen und aktiv. Dies gehört auch zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben, hat sie sich doch „im Rahmen ihres musikalischen Bildungsauftrags an der gesellschaftlichen Stabilisierung des bezirklichen So­zialraums“ zu beteiligen. Gleichzeitig setzt sich die Musikschule zum Ziel, durch den Einsatz des GrooveLiners neue Aufmerksamkeit im Bezirk zu generieren und eine neue Bühne und mobile Plattform für die Musikschule zu schaffen. Der Bus ergänzt das vielfältige und bewährte Angebot der Musikschule um neue räumliche und pädagogische Möglichkeiten – und seine Einsatzmöglichkeiten sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Über die Bereiche Pop und Digitales sollen auf diese Weise Kinder und Jugendliche an die Musikschule als Institution herangeführt werden. Sie sollen die große Bandbreite der musikalischen und tänzerischen Angebote der Musikschule Spandau kennenlernen und nach Möglichkeit als Multiplikatoren wirken, dabei ihren eigenen, persönlichen Horizont erweitern und Kultur, sowohl im kleinen Rahmen des GrooveLiners als auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext, als wesentlich und verbindend für ein friedliches Miteinander wahrnehmen lernen.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 5/2025.

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