Janosa, Felix

12 Ragtimes

für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2022
erschienen in: üben & musizieren 1/2023 , Seite 61

Der Jazz-Pianist, Musik-Kabarettist, Komponist, Arrangeur und Autor Felix Janosa wird den meisten durch seine Musik zu den zahlreichen Ritter Rost-Geschichten bekannt sein. Seine 12 Ragtimes möchten einen Weg zum Urvater des Ragtimes, zu Scott Joplin beschreiten: „Ich wollte kürzere und technisch gut zu bewältigende Ragtimes im Stil von Scott Joplin schreiben, die sich auf A- und B-Teil beschränken. Aus dieser Entscheidung ergab sich die Idee, die Tonartenfolge der Ragtimes im Quintenzirkel abwärts, also in subdominantischer Richtung, zu gestalten.“
Dieses Schreiten durch alle zwölf Dur-Tonarten bereitet absolutes Vergnügen. Sämtliche für den Ragtime typischen Bewegungen, wie Sprünge der linken Hand und unterschiedliche Figurationen der rechten Hand, bleiben in einem überschaubaren mittleren Schwierigkeitsgrad. Alles klingt pfiffig und lebendig. Die Harmoniefolgen sind gespickt mit Zwischendominanten, die für den Ragtime charakteristisch sind. Allein schon durch die in jedem Stück wechselnde Grundtonart ergibt sich, trotz ähnlicher Spielbewegungen, immer ein neuer Grundcharakter.
Wer nur eine Adaption Jop­lin’scher Ragtimes erwartet, wird angenehm überrascht sein, wie fantasievoll Felix Janosa die einzelnen Stücke komponiert hat. Dabei schließt er auch Parodistisches nicht aus. Der Vienna Rag bedient sich nicht des im Ragtime üblichen 4/4-Takts, sondern des 3/4-Takts, in Anspielung auf den Wiener Walzer. Auch überrascht das Stück mit enharmonisch notierten Tonartwechseln. Im Blue Note Rag wird das Wechselspiel zwischen kleiner und großer Terz geschickt in die Melodiebewegung mit eingebaut. Harmonisch besonders gewürzt ist der Oriental Rag mit seinen übermäßigen Tonsprüngen und den Verzierungen in der Melodie, welche den orientalischen Gesang imitieren. Synkopen sind im Ragtime nichts Außergewöhnliches, im Swanee River Rag werden diese durch Akzente in der Melodie aber zu einer ganz eigenständigen rhythmischen Bewegung. Der Weg vom St. Louis Rag zu Joplins Entertainer ist dann nicht mehr weit.
Wer diese zwölf fantasievollen Ragtimes gespielt hat, wird mit dem originalen, vollgriffigen Klaviersatz von Joplins Maple Leaf Rag keine größeren Probleme mehr haben. Felix Janosa gelingt es, auf eine bei der jüngeren Generation fast vergessene Gattung aufmerksam zu machen, die sich in der Musikgeschichte längst einen festen Platz erworben hat. Man sollte schon ein paar Jahre Klavier gespielt haben, bevor man sich mit den Ragtimes beschäftigt. Auch sollte die Hand eine gewisse Stabilität erreicht haben, um die kraftvollen Sprünge und Akkordfolgen sicher zu bewältigen.
Der Notensatz ist gut lesbar und mit wenigen Fingersätzen versehen. Kein Ragtime ist länger als zwei Seiten. In der sehr guten Notenausgabe gibt es keine Angaben zum Pedal. Diese sind zum Spielen der Ragtimes aber auch nicht notwendig.
Christoph J. Keller