Kloss, Berthold (Hg.)

123 Songs für Kids im Chor

Tolle zweistimmige Kinderlieder mit spannender, mittelschwerer Klavierbegleitung

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bosse, Kassel 2010
erschienen in: üben & musizieren 3/2011 , Seite 55

Dieser Band strotzt vor Singmaterial aus allen stilistischen Bereichen, und wer die Abwechslung sucht, wird hier fündig. Hier steht das deutsche Volkskinderlied unvermittelt neben Spirituals, europäischer und außereuropäischer Folklore und diversen Produkten der Kinderlieder-Macher vom Schlage Jöcker, Vahle und Zuckowski. Diese Melange erklärt der Autor auch ausführlich in seiner Vorbemerkung und begründet sie mit der multistilistischen Hörgewohnheit von Kindern bereits im Kindergarten-, besonders aber im Grundschulalter. Hier ist auch die Zielgruppe zu sehen, die mit dem Inhalt dieser Sammlung angesprochen werden soll.
Kinderchorarbeit im Bereich der Grundschule ist das didaktische Leitmotiv aller 123 Arrangements in der Regel in 2-stimmigen Vokalsätzen und Klavier- und(?)/ oder Gitarrenbegleitung. Das Fragezeichen erklärt sich aus einem Vergleich der Arrangements bezüglich der angegebenen Akkordsymbole und der ausgeschriebenen Klavierstimme.
Manche Ungereimtheiten bzw. Vereinfachungen des Gitarrensatzes lassen vermuten, dass sich eine Kombination eher ausschließt. Im Vorwort wird hierzu leider nichts Erhellendes gesagt. Unabhängig davon sind wesentliche Teile dieser didaktischen Einleitung aber durchaus von zentralen Einsichten in die spezifischen Aufgabenstellungen einer verantwortungsvollen Kinderchorarbeit getragen: angemessene, altersbezogene Einführung in das mehrstimmige Singen; Bewusstsein über die stimmphysiologisch richtige Tonhöhe und den Ambitus beim Singen mit Kindern; Spielideen bis hin zu Anregungen für kleine szenische Umsetzungen in Verbindung mit den Liedern.
Viele motivierende Formulierungen unterstützen dabei die offensichtliche Intention des Autors, Grundschullehrkräfte für eine solche musikpädagogische Arbeit zu begeistern. Vielleicht überschätzt er dabei ein wenig die Voraussetzungen und Kompetenzen, denn noch lange nicht sind trotz der neuen „Singbewegungen“ allerorten die Probleme mit fachfremd erteiltem Musikunterricht, überproportional wegfallenden Unterrichtsstunden und Eindampfen des Musikunterrichts in ein Konglomerat aus Sport-, Musik- und Kunstunterricht auch nur in Ansätzen gelöst. Kinderchöre an Grundschulen sind derzeit immer noch etwas Besonderes und keinesfalls die Regel. Aber als Perspektive und Gegenmodell sind die Statements des Herausgebers natürlich sinnvoll und wichtig.
Das konkrete Liedmaterial und die Bearbeitungen halten aber diesem theoretisch formulierten Anliegen nicht immer stand. Es gilt daher, aufmerksam auf nicht durchgängig stimmige Harmonisierungen, teilweise überladene Klaviersätze und den einen oder anderen recht dümmlichen Text kritisch zu reagieren. Die im Untertitel suggerierten Prädikate „toll und spannend“ werden keinesfalls immer eingelöst.
Thomas Holland-Moritz