Wunsch, Frank

20 Bluesstücke

für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2019
erschienen in: üben & musizieren 5/2019 , Seite 63

Ein Easy Blues steht am Anfang, in klarem C-Dur gehalten, nicht schnell und „leicht swingend“ vorzutragen. Pianistisch gibt er sich anspruchslos und konfrontiert den Spieler ganz demonst­rativ mit dem zwölftaktigen Blues-Schema und seiner traditionellen Akkordfolge aus erster, vierter und fünfter Stufe der Grundtonart. So naiv, wie dieser Start wohl bewusst gesetzt ist, bleibt Frank Wunschs Sammlung von 20 Bluesstücken (die tatsächlich dank einer Bonusnummer am Schluss 21 Nummern umfasst) freilich nicht. Als mehr oder minder freie Variationen über den Blues begegnen uns die folgenden Stücke in vielfacher formaler und harmonischer Weitung und Wandlung des Modells.
Frank Wunsch ist klassisch ausgebildeter Pianist, bei Günther Faber und Alfons Kontarsky, doch von vornherein mit einer Neigung zum Jazz. Diese Neigung ließ ihn in vielen Jazz-Formationen mitmusizieren und brachte ihm Lehraufträge sowie später eine Professur im Studiengang Jazz an der Hochschule für Musik und Tanz Köln ein. Auch als Komponist ist Frank Wunsch schon vielfach hervorgetreten, darunter mit den didaktischen Werken Blues Time und Blues For Two für den Klavierunterricht.
An diese Vorgängersammlungen schließt der eben erschienene Band an: die 20 Bluesstücke, die in zwangloser Folge ab den 1980er Jahren entstanden sind und als jüngsten Beitrag einen im Februar 2019 komponierten Blauen Nachmittag enthalten. Leicht bis mittelschwer sind die einzelnen, maximal zwei Druckseiten umfassenden Nummern gehalten. Rhythmisch selten komplexer, dafür gelegentlich mit harmonischen Wendungen versehen, die nicht nur „blue“, sondern schon „dark blue“ anmuten. Fast alles ist auch mit kleineren Händen zu bewältigen, nur wenige Male erscheinen einige weite Griffe in der ­linken Hand.
Viele der Stücke huldigen im Titel und wohl auch in ­stilistischen Anspielungen bekannten Jazz-Musikern wie dem Saxofonisten John Coltrane, dem „Vater des Stride Pianos“ James P. Johnson, anderen Jazzpianisten wie Ramsey Lewis, George Shearing und Bobby Timmons oder dem Avantgardisten Eric Allan Dolphy, dem der Autor einen rhythmisch ­vertrackten „abstrakten Blues“ widmet. Doch auch George Gershwin darf sich in die Schar der Vorbilder einreihen (mit einer Anspielung auf dessen Rhapsody in Blue) und Erik Satie, dessen Gnossienne Nr. 1 mitten in „dezent swingender“ Bewegung in „geraden Achteln“ zitiert wird.
Vergnüglich ist es, wie Wunsch fantasievoll auch sonst immer wieder Brücken zwischen dem Blues und anderen musikalischen Genres baut. Folklore von der Grünen Insel scheint im Irish Blue deutlich durch, und die Nr. 13 Blues Invention beginnt tatsächlich wie eine zweistimmige Bach’sche Invention, die dann in der zweiten Hälfte des Stücks wiederholt, aber dabei harmonisch ausgefüllt wird.
Gerhard Dietel