Hindemith, Paul

3 amerikanische Volkslieder

für 3 Blockflöten (SSA oder SAT)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2009
erschienen in: üben & musizieren 4/2010 , Seite 62

Paul Hindemith – mit diesem Namen verbindet man gemeinhin Titel wie Mörder, Hoffnung der Frauen, Matthis der Maler oder diverse Streichquartette. Doch der bekannte Komponist und Dirigent (1895-1963) rühmte sich seinerzeit selbst, einer der ersten gewesen zu sein, der die Blockflöte und die alte Literatur für dieses Instrument in Deutschland wiederentdeckt hat. Tatsächlich spielte er auch selbst im Blockflötentrio und komponierte diverse Werke für Blockflöte(n). 1938 wurde er von einem amerikanischen Verleger gebeten, einige kleine Stücke für dieses Instrument zu schreiben: So entstanden die 3 amerikanischen Volkslieder für drei Blockflöten – die allerdings bislang noch nie veröffentlicht wurden. Und das ist erstaunlich, handelt es sich doch um drei rhythmisch, harmonisch und melodisch wirklich reizende Stückchen!
Hindemith klingt hier freilich nicht nach Hindemith. Wer an die rauen, manchmal schrillen, aber immer tendenziell herben Klänge seiner Sinfonien oder auch der späteren Kammermusikwerke denkt, fragt sich angesichts dieser eitel harmonischen und vergleichsweise terzenseligen Trios unwillkürlich, ob es sich tatsächlich um den gleichen Komponisten handle. Denn bei den drei Stücken dieser Sammlung, Dixie, Old Folks at Home und Auld Lang Syne, legte Hindemith gängige und eingängige Melodien (die letzte etwa im deutschsprachigen Raum unter dem Text „Nehmt Abschied, Brüder“ bekannt) zugrunde, die er dann durchgängig tonal und in vollkommen konservativer Weise harmonisierte, sodass die Sätze – einer in C-, zwei in F-Dur – auch der musikalisch reaktionärsten Besucherin eines Vorspielabends ausschließlich Rührungstränen entlocken dürften. Abgesehen davon sind sie so kurz, dass sie insgesamt auf zwei Seiten passen, und auch deshalb für ein schnelles – und auswendiges – Vorspiel geeignet.
Welche Blockflöten hier zum Einsatz kommen sollen, hat der Komponist nicht festgelegt; die Herausgeberin Luitgard Schader schlägt zwei Sopran- und eine Altflöte oder aber Sopran-, Alt- und Tenorflöte vor. Beide Optionen sind gut machbar, wobei die erstere angesichts des Ambitus wahrscheinlich gemeint ist, letztere aber zumindest im zweiten Stück von größerem Reiz sein dürfte, da hier die Mittelstimme lange Haltenoten unter die Melodie setzt, die auf dem größeren Instrument schlicht angenehmer klingen.
Vom Ambitus her bewegt sich die erste Flöte zwischen c” und g”’, die zweite zwischen c” und c”’, die dritte zwischen f’ und f”. Dynamische Angaben hat der Komponist nicht eingefügt und auch diese Ausgabe verzichtet darauf. Dafür sind einige Phrasierungsbögen zu finden, die auch Rückschlüsse auf den Charakter der im Tempo nicht weiter bezeichneten Stückchen erlauben. Hinsichtlich der Rhythmik arbeitet Hindemith in einer Art Kontrapunktik oft recht originell, unterstützt noch durch die unterschiedliche Phrasierung der drei Stimmen, die übrigens alle in etwa den gleichen, mittleren Schwierigkeitsgrad aufweisen.
Andrea Braun