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Gabel, Michael

Abwärtstrend gestoppt

Hoffnung auf Ende der Berliner Musikschulmisere

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2017 , musikschule )) DIREKT, Seite 09

Geht es unter dem neuen Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) mit den Berliner Musikschulen aufwärts? Oder bleiben sie ein Negativbeispiel dafür, wie durch jahrzehntelange Einsparungen und das Streichen fester Stellen die Qualität leidet? Dieser Frage widmete sich eine vom Berliner Musikschulbündnis ver­anstaltete Podiums­diskussion.

Zwar hat der neue Berliner Senat beschlossen, den Anteil der fest angestellten Lehrkräfte auf 20 Prozent anzuheben. Aber nur innerhalb der nächsten vier Jahre, nicht sofort. „Wir hätten das gern früher gehabt, streiten uns mit dem Finanz­senator aber noch ums Kleingedruckte“, so Klaus Lederer in der vom Geschäftsführer des Verbands deutscher Musikschulen, Matthias Pannes, geleiteten Diskussion. Eigentlich sei sich die rot-rot-grüne Landesregierung einig gewesen, dass 184 zusätz­liche Stellen nötig seien, um das 20-Prozent-Ziel zu schaffen. „Doch dann wurden für den Doppelhaushalt 2018/19 zunächst doch nur 105 Stellen bewilligt.“ Am Ziel, die Verbesserungen bis zum Ende der Legislaturperiode hinzubekommen, ändere sich aber nichts.
Immerhin: Erstmals seit Jahren bemüht sich der Senat, den Abwärtstrend bei den Musikschulen zu stoppen. Der begann in den frühen 1990er Jahren, als der hochverschuldete Stadtstaat massiv sparen musste. Die Einrichtungen aus dem Ost- und Westteil wurden 2001 fusioniert und im Laufe der Jahre vor allem im Ostteil der Stadt die meisten Musikschullehrerstellen abgebaut. Die neue Linie in der Musikschulpolitik legte seinerzeit fest, dass die weitaus geringeren West-Standards bei festen Stellen und Lerninhalten nun für alle galten. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) betrieb diese Politik ebenso wie seine Nachfolger Klaus Wowereit und Michael Müller (beide SPD). Der Landesmusikrat und das Musikschulbündnis stemmten sich gegen diese Entwicklung, aber lange ohne Erfolg. Der Musikschulbeirat, ein unter anderem mit Musikschulleitern, Bezirks- und Landespolitikern besetztes Beratungsgremium des Senats, machte sogar kon­krete Vorschläge, wie das Niveau langsam, aber sicher wieder angehoben werden könnte. Doch die Anregungen verschwanden in der Schublade.
Dass es nun trotz der Hängepartie im Berliner Senat Anlass zur Hoffnung gibt, betonte der Präsident des Landesmusikrats, Hubert Kolland. „Wir stehen vor einer historischen Zäsur. Bisher sahen die Musikschulen ihre Aufgabe überwiegend in der Vermittlung von Schülern, nun könnten wir endlich hin zu einer qualifizierten Musikschule kommen“, sagte er. Er bezog sich damit auf die Worte des Bundesvorsitzenden des Verbands deutscher Musikschulen, Ulrich Rademacher. Der hatte vor Beginn der Podiumsdiskussion das Alleinstellungsmerkmal der kommunalen Einrichtungen skizziert: „Wir bieten nicht nur Einzelunterricht, sondern die verlässliche Kompetenz eines Teams, das Schüler und Eltern auf dem Ausbildungsweg begleitet, das Schnuppern ermöglicht, erfolgversprechende Gruppen zusammenstellt, Leistungen überprüft, Zusammenspiele fördert, beim Wechsel von Lehrer oder Instrument hilft, das starke Schüler fördert ebenso wie schwache.“
Rademacher sprach vom „Bildungsorganismus Musikschule“, den es zu bewahren und auszubauen gelte. Musikpädagogische Einzelgänger könnten dies nicht leisten, „egal wie gut sie sind“. Er fügte hinzu: „Auch die qualifizierteste private Nachhilfe ersetzt ja nicht eine vollständige Schule, und die vernetzte Kompetenz einer Klinik wird kaum durch ein paar niedergelassene Ärzte gewährleistet werden können.“
Auch Rademacher betrachtet weniger den politischen Streit in Berlin um die Finanzierung der zusätzlichen Stellen. Er sehe in der aktuellen Situation vielmehr „die einmalige Chance, den gordischen Knoten zu zerschlagen“. „Deutschland, Österreich und die Schweiz schauen nach Berlin“, mahnte er. Was zum Beispiel Städte wie Hamburg und Wien in der Vergangenheit für die musikalische Bildung getan hätten, müsse nun Vorbild für die Bundeshauptstadt sein. Nach Jahren des Stillstands sehe er nun aber Bewegung. „Ich bemerke, dass Blockaden sich lösen und dass Schuld­zuweisungen an die jeweils andere Seite nicht wiederholt werden. Bei so viel gutem Willen sollten wir die Gunst der Stunde nutzen“, betonte er.
Der Grünen-Kulturexperte Daniel Wesener teilte den vorsichtigen Optimismus, blickte jedoch zugleich in die fernere Zukunft. Die 20 Prozent Festangestellten seien gewiss ein wichtiges Ziel, sagte er. „Aber um die Berliner Musikschulen fit zu machen, kann das nur ein erster Schritt sein“.