Chaminade, Cécile
Album des enfants
Auswahl aus opus 123 & opus 126 für Klavier, hg. mit einem Vorwort und Hinweisen für den Unterricht von Monika Twelsiek
Ein „Album für die Jugend“? Unweigerlich fällt einem da als erstes die Sammlung von Robert Schumann für den pianistischen Nachwuchs ein. Freilich gibt es Alternativen, etwa von Tschaikowsky (Kinderalbum op. 39), Prokofieff (Musik für Kinder op. 65), Kabalewski (Kinderstücke op. 27) und auch, weniger bekannt, von der französischen Pianistin und Komponistin Cécile Chaminade. Deren Album des enfants erschien in den Jahren 1906/07 in zwei Teilen mit insgesamt 24 Stücken, woraus die Herausgeberin Monika Twelsiek für die vorliegende Edition innerhalb der musikpädagogisch ausgerichteten Reihe „Schott Student Edition“ zwölf Nummern auswählte.
Als Kind spielte die acht Jahre alte Cécile Chaminade dem in der Nachbarschaft wohnenden Georges Bizet ihre ersten Kompositionen vor, der sie daraufhin „Mon petit Mozart“ nannte. Das jugendliche Wunderkind entwickelte sich bald zum Star der Musikszene der „Belle Époque“ und wurde in ihrer Heimat wie bei Tourneen bis in die USA gleichermaßen gefeiert. Mehr als 400 Kompositionen entstanden im Laufe dieser Zeit, darunter zur Hälfte Werke für Klavier. Um vordergründige Originalität ist es Cécile Chaminade in ihrem Album des enfants nicht zu tun. Das beginnt bei den Überschriften der einzelnen Charakterstücke, die ganz an die Tradition anschließen. Da finden sich Bezeichnungen wie „Barcarolle“, „Tarantelle“ und „Idylle“ oder, mit französischem Akzent, „Aubade“, „Rigaudon“ und „Villanelle“. Einem gemäßigten Exotismus huldigt die Komponistin mit einer „Marche Russe“ und „Orientale“ betitelten Nummer mit Bordunquinten-Effekten.
Hergebrachte Tanzformen füllt Chaminade mit neuen Ideen, traditionellen Charakteren gewinnt sie mit Charme und Eleganz frische Wirkung ab, wobei das Satzbild stets klar und durchsichtig bleibt. Doch bei aller pianistischen und formalen Schlichtheit entwickeln die einzelnen Stücke immer wieder kleine Züge der Raffinesse, wenn im vermeintlichen Gleichfluss kleine Abweichungen und unerwartete Wendungen auftreten.
Auf der bei der „Schott Student Edition“ üblichen von 1 bis 5 aufsteigenden Skala der Schwierigkeitsgrade stuft die Herausgeberin dieses Album des enfants bei 2 (leicht bis mittelschwer) bis 3 (mittelschwer) ein. Der Band enthält neben einem Vorwort nützliche Hinweise für den Unterricht. Hier werden die zwölf dargebotenen Stücke kurz analysiert und aus der Analyse heraus Vorschläge zu Vorübungen beim Erarbeiten der Stücke gemacht – und über alles Technische hinaus zu Einführungen in deren Geist. Um es mit Cécile Chaminades eigenen Worten zu sagen: „Der Interpret sollte sich mit Klugheit und Genauigkeit den Wünschen des Komponisten annähern. Aber es gibt etwas, das man nicht aufschreiben kann, man kann es nicht einmal erklären, das ist die ,Seele‘ des Musikstücks.“
Gerhard Dietel