Arietta

40 leichte Originalstücke für Violoncello und Klavier, hg. von Rainer Mohrs und Elmar Preusser

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2016
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 57

Nicht zufällig zählt „die“ Arietta – sie entstammt Willem de Feschs d-Moll-Sonate op. 8/3 – nach wie vor zu den beliebtesten Vortragsstücken junger CellistInnen. Selbst diejenigen, deren höchste Empfänglichkeit derzeit auf Fluch der Karibik und Co. gepolt ist, zeigen sich erfahrungsgemäß offen für den melodischen Charme dieser barocken Petitesse, für die anheimelnde Wärme, die von ihrer Eröffnungsgeste – einer absteigende Linie, aufgefangen vom Trugschluss – ausgeht. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich die vorliegende Anthologie in ihrem Titel auf eben dieses Stück bezieht.
Mehr noch: Der leibhaftigen Arietta – sie bildet die Eröffnung der 40 leichten Originalstücke – steht am Ende des Bandes eine Fortspinnung in modernerem Gewand gegenüber: Arietta 2015 nennt Herausgeber Rainer Mohrs seine Variante. Auser­sehen als Anspielung an den Stil einer Popballade, gemahnt das Stück indes kaum weniger an den Duktus einer spätromantischen Valse mélancholique.
Eingebettet zwischen de Feschs Original und die zeitgenössische Hommage enthält der Band ein fein abgestimmtes Spektrum bekannter und weniger bekannter Vortragsstücke, die als Ergänzungen zum Cellounterricht der ersten Jahre ihre Meriten teils schon erworben haben, teils durchaus verdienen. Die C-Dur-Sonate von Giovanni Battista Cirri zählt ebenso dazu wie Jean Baptiste Brévals berühmte C-Dur-Sonate (die alte Stutschewsky-Ausgabe wurde zu diesem Zweck einer Revision unterzogen), außerdem „Klassiker“ wie Gretchaninoffs In aller Frühe, die Sechs leichten Stücke op. 12 von Hugo Schlemüller und auch Hindemiths Drei leichte Stücke. Weniger bekannt, aber nichtsdestoweniger lohnend: zwei „todtraurige“ Piècen aus der Feder des Virtuosen Georg Goltermann, leichte Stücke der schottischen Komponistin Marie Dare und sechs Stücke des Engländers Arnold Trowell, die – cellistisch betrachtet – sehr gut „liegen“ und daher besonders geeignet sind, romantischen Cellotugenden wie Tongestaltung und Vibrato in die Hände zu spielen. 25 der 40 Stücke sind in der 1. Lage spielbar, für die anderen ist zumindest die Beherrschung der 4. Lage erforderlich. Generell aber laden alle Stücke dazu ein, zu Verschönerungszwecken auch die 2. und 3. Lage einzusetzen.
Jazz- und Pop-Anklänge vernehmen wir in drei Stücken aus dem Zyklus Short Stories von Eduard Pütz und in Gabriel Koeppens Disco Hit. Letzterer ermuntert überdies zum Einsatz von Perkussionsinstrumenten und perkussiven Aktivitäten auf dem Cellokorpus. Einladungen zu ternärem Spiel (swingenden Achteln) – im Vorwort angekündigt – gehen allerdings aus dem Notentext nicht unmissverständlich hervor. Als Fundgrube leichter Celloliteratur bereitet der sorgfältig edierte Band viel Freude. Er versorgt uns mit musikalischen „Nährstoffen“ von Barock bis Disco. Was will man mehr!
Gerhard Anders