Aschaffenburger ­Clavierbuch

Hg. von Birger Petersen und Markus Stein

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2025
erschienen in: üben & musizieren 6/2025 , Seite 61

Aschaffenburg: Das ist heute eine kreisfreie Stadt im bayrischen Regierungsbezirk Unterfranken mit gut 70000 Einwohnern, nahe der Grenze zu Hessen gelegen. Im 18. Jahrhundert gehörte Aschaffenburg jedoch politisch zum Kurfürstentum Mainz, was erklärt, dass die vorliegende Edition des Aschaffenburger Clavierbuchs in der Reihe „Musik am Mittelrhein“ erscheint.
Bei diesem Aschaffenburger Clavierbuch handelt es sich um ein für den Hausgebrauch bestimmtes Manuskript des frühen 18. Jahrhunderts, das auf 85 Blättern in der Hauptsache Kompo­sitionen für Tasteninstrumente enthält und heute Eigentum des Instituts für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist. Die Eintragungen in dieser Handschrift, die auf dem Vorderdeckel die Datierung „Anno 1708“ aufweist, lassen sich bis zum Jahr 1723 verfolgen, und der Besitzvermerk nennt eine „Anna Eva Edtellin“ aus Aschaffenburg, deren Familie in enger Beziehung zu Lothar Franz von Schönborn stand, dem Fürstbischof von Bamberg und Kurfürsten von Mainz.
Das Repertoire des Aschaffenburger Clavierbuchs versammelt damals Aktuelles und weist dabei eine breite regionale Streuung auf. Neben zahlreichen anonym überlieferten Stücken lassen sich als Urheber der Rastatter Hofkapellmeister Johann Caspar Ferdinand Fischer und der Nürnberger Organist Johann Pachelbel ebenso erschließen wie der Leipziger Thomaskantor Johann Kuhnau und der Wiener Hoforganist Ferdinand Tobias Richter, ferner ist zu Beginn der Bamberger Karmeliterpater Johannes Justus Will mit gleich zehn Kompositionen vertreten.
Tanzsätze und mit „Aria“ betitelte Stücke überwiegen, nur vereinzelt finden sich kontrapunk­tische Formen wie „Ricercar“ und „Fuge“. Programmatische Züge weist die Nr. 72 auf, die schildert, „Wie die Hierdten in Tirol einander antworten“ – man mag hier in den Figurationen Jodler-Anklänge entdecken. Die meisten Nummern weisen im Druck einen Umfang von weniger als einer bis zu zwei Seiten auf, ein Rahmen, der nur selten, und zwar vor allem bei zwei Varia­tionsfolgen überschritten wird.
Die vorliegende Edition mit der Übertragung der Oberstimmen in den Violinschlüssel ist fürs praktische Musizieren bestimmt, was auch einige Leerseiten im Druck unterstreichen, die den Spieler von der Last des Umblätterns befreien. Versierte Pianistinnen und Pianisten werden die meisten der Stücke prima vista spielen können, welche ihnen im zwei-, drei- oder vierstimmigen Satz begegnen. Verzierungen sind in der Quelle nur spärlich vorhanden, hier liegt es nahe, den Vortrag nach Erkenntnissen der historisch informierten Aufführungspraxis ornamental zu beleben. In der Quelle enthalten, aber in der Edition ausgespart sind einige Fragmente (sie verzeichnet der „Kritische Bericht“ im Anhang) sowie eine abschließend notierte Generalbasslehre, die gesondert publiziert wird.
Gerhard Dietel

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