Regner, Hermann

Aus meinem Tagebuch

24 Miniaturen für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2006
erschienen in: üben & musizieren 1/2007 , Seite 65

Ein Tagebuch ist dazu angetan, Erlebnisse des Tages aufzunehmen. Aber nicht nur: Auch Stimmungen, Gedanken und Gefühle schlagen sich darin nieder – und in diesem Sinne ist der Titel Aus meinem Tagebuch dieser 24 Miniaturen von Hermann Regner zu verstehen. 24 ein- bis maximal zweiseitige Stücke illustrieren diverse Gemütszustände. „Die Interpreten suchen sich aus der Fundgrube heraus, was ihnen entspricht, wie es ihnen ums Herz ist“, schreibt der Komponist im Vorwort.
Regner, geboren 1928, war Schüler und langjähriger Mitarbeiter von Carl Orff – und das hört man. So präferiert er vielfach Quinten, Quarten und Oktaven, geht mit diesen aber im harmonischen Zusammenhang anders als Orff und sehr differenziert um, sodass in den durchaus an einem tonalen Zentrum orientierten Kompositionen viel Dissonantes und manche überraschende Wendung auftauchen. Das Gewicht liegt eher auf der Harmonik als auf der Melodik, sodass sich manches Stück nicht beim ersten Hören erschließt. Hat man sich aber in diese Klangwelt erst einmal eingehört, erscheint sie auch dem in zeitgenössischen Tönen Unerfahrenen durchaus eingängig.
Auffallend ist dabei ein gewisses Faible für konsequente und genaue Stimmführung, das einen guten Fingersatz (der nicht angegeben ist) verlangt. Und das weist auf einen wichtigen Aspekt des regnerschen Werks hin: Sein Engagement für didaktisch durchdachte, aber gleichzeitig künstlerisch befriedigende Unterrichtsliteratur – als welche auch diese Miniaturen verstanden werden können. So lässt sich am einen Stück genaue Artikulation exerzieren, im nächsten tauchen vermehrt Läufe über schwarze Tasten auf, Quintengänge, gebrochene Akkorde oder schnelle Lagenwechsel; dann gilt es, eine Melodie in rechter oder linker Hand zu gestalten, Taktwechsel oder verschobene Rhythmen auszuzählen. Damit bietet die Sammlung manches Element eines Etüdenbandes in erquicklicherer Verpackung.
Die technischen Anforderungen der einzelnen Stücke sind dabei relativ unterschiedlich – abhängig natürlich von individuellen Stärken und Schwächen des Spielers, insbesondere aber auch vom Tempo der Stücke – sodass einzelne sicherlich schon von leicht fortgeschrittenen SpielerInnen erarbeitet werden können, andere dagegen recht solide technische Grundlagen verlangen.
Die 24 Miniaturen wirken atmosphärisch sehr dicht und es findet sich darunter für jeden Geschmack etwas (wobei tendenziell eine etwas melancholische Grundstimmung überwiegt). Sie sind mit italienischen Tempobezeichnungen (plus Metronomzahlen) überschrieben – darunter durchaus auch weniger gebräuchliche wie affrettato oder allegramente. Da würde man sich manches Mal eine etwas konkretere Beschreibung des Dargestellten wünschen, doch lässt Regner damit natürlich charakterlich einen weiten Interpretationsrahmen offen. Die Ausgabe wirkt klar und übersichtlich, niergends muss innerhalb eines Stücks geblättert werden.
Andrea Braun