Dezelski, Hans-Joachim

Avanti Dilettanti – Lasst das Cello ertönen!

For Thy Pleasure – Cellospielen für Erwachsene

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: BoD, Norderstedt 2019
erschienen in: üben & musizieren 6/2019 , Seite 52

Eine biblische Assoziation? Vermutlich hat Hans-Joachim Dezelski beim Untertitel „For Thy Pleasure“ weniger an die Johannes-Offenbarung als vielmehr an die gleichnamige Barockmusik-Einspielung des Los Angeles Guitar Quartet gedacht. In der Tat geht es nicht um göttliche Werke, sondern um das Vergnügen, als (älterer) Erwachsener das Cellospiel von der Pike auf zu erlernen mit dem Ziel, die Bach’schen Solosuiten spielen zu können. Für Dezelski ein „mäandernder Weg“, den er nie aus dem Auge verlor, letztlich aber erst nach dem Ende seiner Berufslaufbahn und nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit der Gitarre beschritt.
Über diesen Weg gibt das Buch beredt Auskunft, wobei der fröhlich einladende (Haupt-)Titel Erwartungen wecken könnte, die die Lektüre kaum erfüllt. Glück­licherweise! Denn wer vermutet, dass es sich um ein anekdoten-gesättigtes Wohlfühlbuch handelt, wird überrascht sein: Hier berichtet ein nach eigenem Bekunden „strukturierter Mensch“ von seiner akribischen, immer vom Fernziel „pleasure“ geleiteten Suche nach erfüllter Beschäftigung mit einem komplexen Instrument und mit der Materie Musik.
Zu Beginn des Buchs beschäftigt sich der Autor mit Vorhaben und Lernzielen: „Bevor man nach Herzenslust das Instrument […] drangsaliert, ist es vernünftig, sich der eigenen Fähigkeiten bewusst zu werden und seine Motivation zu hinterfragen.“ Wirklich? Dezelskis Weg ist der eines Autodidakten, er hatte nie einen Lehrer. In seiner Aufforderung zum Vorab-Check schwingt ein gewisses Misstrauen gegenüber Pädagogen mit. Die Entdeckung der eigenen Fähigkeiten, Motivation, Begeisterung: Faktoren, die doch in der Regel von einem Lehrer entscheidend mit beeinflusst werden. Dezelski gesteht zu, dass abstrakte Hilfsmittel nie einen ausgebildeten Lehrer ersetzen könnten. Zugleich skizziert er unter dem Stichwort „Cello-Tutor“ ein System von teils internetgenerierten Hilfs- und Kontrollinstanzen – Notensatzsystemen, MIDI-Dateien –, die es experimentierfreudigen Zeitgenossen ermöglichen, das Cellospiel auf „Selfmade“-Basis zu er­lernen. Zum Intonationstraining empfiehlt er beispielsweise die Nutzung eines E-Cellos, da dessen Obertonspektrum im Vergleich zu dem seines hölzernen Pendants weniger komplex sei.
Dezelskis Ausführungen zur „Ana­tomie eines Cellos“ sind untadelig, seine erhellenden Anmerkungen zum Thema „Der Markt bestimmt den Preis“ verdienen Dank. Einem professionellen Lektor wären vermutlich einige Textnachlässigkeiten aufgefallen, doch insgesamt liest sich das Buch angenehm. Avanti dilettanti ist das Protokoll eines Sonderwegs. Dezelskis Fazit: „Wenn der hypothetische Lehrer sich meinen Interessen angepasst und eine ähnliche Lernphilosophie vertreten hätte, wären Synergieeffekte möglich gewesen.“ Möglicherweise hätte der „hypothetische Lehrer“ im Hause Dezelski kein ganz leichtes Leben gehabt.
Gerhard Anders