Saulich, Maria

Begeisterung – Liebe – aufrichtiges Interesse

Eigenschaften und Fähigkeiten einer idealen Lehrperson aus Sicht der Schülerinnen und Schüler

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2017 , Seite 12

Was zeichnet in den Augen der Schülerinnen und Schüler eine gute Instrumental- oder Gesangslehrkraft aus? Dieser Beitrag lässt ausschließlich Lernende zu Wort kommen, ­weshalb auf eine Interpretation der Aussagen aus Lehrerperspektive verzichtet wird. Ziel ist es, Einblicke zu bieten, wie Lernende unterschied­licher Altersgruppen im Laienmusikbereich ihren Unterricht erfahren bzw. erlebt haben.

„Der Lehrer darf nicht zu arrogant und stolz sein. Eine seiner Hauptaufgaben ist es, zu verhindern, dass Schaden angerichtet wird, und ich möchte behaupten, dass neun von zehn, und wahrscheinlich neunundneunzig von hundert Lehrern Schaden anrichten. Vielleicht merken sie in ihrer Blindheit gar nicht, welchen Schaden sie verursachen. Wenn ein Lehrer dieses negative Ergebnis vermeiden kann, dann ist er, auch wenn er überhaupt nichts Positives beiträgt, schon ein recht guter Lehrer.“1
In diesen verurteilenden Zeilen Yehudi Menuhins gegenüber Instrumentallehrenden wird seine Unzufriedenheit mit dem Standard des Violinunterrichts in Großbritannien deutlich, welche ihn 1963 zur Gründung einer eigenen Violinschule veranlasste. Es ist die Perspek­tive eines Wunderkinds und späteren Weltstars. Offen bleibt, ob neun von zehn Schülerinnen und Schüler tatsächlich Schaden erlitten haben und ihrem Instrumentalunterricht nur Negatives abgewinnen konnten. Hätten diese darüber hinaus Yehudi Menuhins Definition eines „recht guten Lehrers“, der ausschließlich Schadensvermeidung zum Ziel hat, geteilt?
Diesem Artikel liegen 13 Beiträge von elf Schü­lerinnen und zwei Schülern im Alter von fünf bis 76 Jahren zugrunde, die gemäß der in der unten stehenden Grafik dargestellten Altersgruppenaufteilung ausgewertet wurden.2 Die Schüleräußerungen wurden auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin geprüft. Die Frage nach den wichtigsten, übergreifenden Eigenschaften und Fähigkeiten einer idealen Lehrperson stand dabei im Vordergrund.

Der Beitrag wird keinen Kriterien einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie gerecht, vermag jedoch Beispiele altersspezifischer Wahrnehmungen und Wunschvorstellungen von Instrumental- und Vokallehrkräften aufzuführen. In der Beantwortung der Fragestellung „Was zeichnet einen guten Inst­rumental- und Gesangspädagogen bzw. eine gute Instrumental- und Gesangspädagogin aus?“ wurde allen Schülerinnen und Schülern in der Gestaltung und im Umfang ihres Beitrags freie Hand gelassen. Die Fragestellung wurde bewusst weit gefasst, um größtmögliche Freiheit in der Beantwortung zu gewährleisten und das Mitschwingen meiner Lehrendenperspektive durch weitere, präzisierende und damit richtungslenkende Fragen zu vermeiden. Alle einbezogenen Schülerinnen und Schüler erhalten bzw. erhielten Unterricht an einer Musikschule oder private Instrumental- bzw. Gesangsstunden. Mit Ausnahme der jüngsten Schülerin können alle auf Erfahrungen mit mindestens zwei unterschiedlichen Lehrkräften zurückgreifen.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Länge der Beiträge entsprechend der Unterrichtserfahrung – von vier Wochen bis hin zu 60 Jahren (mit gelegentlichen Unterbrechungen) – zunimmt. Trotz des unterschiedlichen Aus­ma­ßes an Unterrichtserfahrung und trotz der Altersdifferenz gibt es zahlreiche deckungsgleiche Ansichten bei den Schülerinnen und Schülern.

Altersunabhängige Gemeinsamkeiten

Als zentrale Eigenschaften einer idealen Lehrperson werden zum einen Begeisterung und Liebe für die Musik und speziell für das Instrument sowie die Kompetenz einer leidenschaftlichen Vermittlung genannt. „Einer Partei, in der nur lustlose, von ihrer Meinung nicht sichtlich überzeugte Politiker sind, wird man kaum seine Stimme geben, auch wenn man rein rationell mit den Zielen übereinstimmt.“ (Jan*, 16 Jahre)4

1 Yehudi Menuhin in: Yehudi Menuhin/William Prim­rose: Violine und Viola, Berlin 1999, S. 133.
2 Mein Dank gilt allen engagiert mitwirkenden Schülerinnen und Schülern sowie Professorin Reinhild Spiekermann für ihre Unterstützung hinsichtlich der Vernetzung zu Erwachsenenschülerinnen und -schülern aus dem Seminar „Musizieren mit 55 +“ (Studienjahr 2015/16, Hochschule für Musik Detmold).
3 Die Altersstufengruppierung ist an die Gliederung des Schulwesens in Deutschland angelehnt sowie an Lotte Schenk-Danzinger, in: Barbara Busch (Hg.): Grundwissen Instrumentalpädagogik. Ein Wegweiser für Studium und Beruf, Wiesbaden 2016, S. 152.
4 Alle mit * versehenen Namen wurden geändert.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2017.