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Keyser, Julia

Bewegt und gesund am Instrument

Kurze Bewegungsübungen zur Gesunderhaltung für zwischendurch

Rubrik: Gesundheit
erschienen in: üben & musizieren 4/2022 , Seite 32

Mit entspannt aufrechter Haltung bleibt die Freude beim Üben lange erhalten und der Körper gesund und leistungs­fähig. Obwohl der Gesundheitsgedanke vermehrt an den Hochschulen und im Instrumentalunterricht angekommen ist, bleibt die Umsetzung im Alltag oft noch zögerlich. Im Folgenden werden einige physiotherapeutische Übungen vorgestellt, die den Einstieg in einen gesunden Musiker-Alltag erleichtern sollen.

Beweglich, schmerzfrei und entspannt aufgerichtet: So wollen wir alle am liebsten unseren Alltag verbringen. Doch nach langen Übephasen, intensivem Einstudieren neuer Stücke oder Prüfungsvorbereitungen schmerzen Rücken und Nacken, sind die Arme verspannt und die Haltung ist schon lange nicht mehr aufgerichtet. Spätestens dann sollte eine Pause eingelegt werden, denn sowohl das Gehirn als auch Muskeln, Faszien und Gelenke brauchen eine Ruhephase, um optimal arbeiten zu können. Sich eine gesunde Arbeitsroutine anzueignen, bedarf nur ein wenig Übung und ist sehr erstrebenswert, denn nur ein entspannt aufgerichteter Körper hat die Möglichkeit, durch geschmeidige Bewegungen und eine hohe Durchlässigkeit mit Instrument oder Stimme zu einem guten Klangergebnis zu kommen.
Aus meinem Arbeitsalltag als Physiotherapeutin mit MusikerInnen wird immer wieder deutlich, dass bereits kleine Veränderungen in unseren täglichen Bewegungsroutinen zu gesunden und bereichernden Gewohnheiten werden können. Es bedarf nicht immer einer langen Trainingseinheit, sondern vielmehr kleiner, fest integrierter Bewegungssequenzen, die so wohltuend sind, dass sie so selbstverständlich wie das Zähneputzen werden. So fördert bereits der aufrechte Stand unsere körperliche Gesundheit. Und wir kräftigen damit im Alltag unsere Tiefenmuskulatur, die uns aufrecht hält. Dazu braucht es kräftige und gleichzeitig flexible Muskel- und Faszienstrukturen sowie eine gute Wahrnehmung für den gesamten Körper. Gelenke und Organe sollten in einer harmonischen Anordnung zueinander stehen.
Am besten wäre es, sich so früh wie möglich, spätestens jedoch im Studium, eine gesunde Alltagsroutine im Übealltag anzueignen, sodass es gar nicht erst zu ernsthaften Beschwerden kommt. Oft wird darüber aber erst mit Beginn der ersten Beschwerden nachgedacht. Sollte es solange gebraucht haben, ist es gut zu wissen, dass es nie zu spät ist, denn unser Gehirn und unsere Körperstrukturen sind sehr flexibel und anpassungsfähig und können durch regelmäßiges Training remodelliert werden.
Probieren Sie es doch einmal mit einem kleinen Aufwärmprogramm vor dem Üben. Schulterkreisen, Kopfdrehungen, Arme locker schwingen und auf und ab hüpfen bringen schon eine positive Veränderung für das Musizieren. In langen, stressigen Übephasen oder Orchesterproben mit wenig individuell angepassten Sitzmöglichkeiten ist das bestimmt nicht immer möglich. Dort müssen MusikerInnen oft lange in ungünstigen Positionen spielen oder singen. Aber tief durchatmen könnte man während einer Orchesterprobe allemal. Einen Versuch ist es wert. Und werden im Anschluss solch anstrengender Phasen einige Dehnungen und Ausgleichsübungen ausgeführt, schafft man eine gute Möglichkeit für den Körper, sich zu erholen, und überlastete Bereiche können sich schneller wieder lösen.
Abhängig von Übe-Intensität, Stressbelastung und Probenplan gehören Verspannungen und Ermüdungserscheinungen sicherlich ein Stück weit zum Leben einer Musikerin bzw. eines Musikers dazu. Viele MusikerInnen werden Phasen von Schmerzen in Rücken und Unterarmen kennen, verspannte Schultern, angespannter Kiefer oder das Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können. Diese Signale wahr- und anzunehmen, ist ein erster Schritt zur Veränderung und hat nichts mit Schwäche zu tun. Es ist eine Möglichkeit, mit unserem Körper in ein Zwiegespräch zu gehen, zu horchen und zu spüren, was er braucht, damit er sich erholen und von Schmerzen lösen kann.
Dabei ist der Weg jedes Einzelnen anders: Manchmal helfen Joggen, Krafttraining, Meditation oder Yoga, ein anderes Mal ein gutes Gespräch mit einer Freundin bei einem Kaffee. Wichtig finde ich, dass man die Dinge mit Freude tut! Denn die körperliche Gesundheit ist untrennbar von der psychischen und seelischen. Gibt es viel Stress, steigt die Spannung der Muskulatur, die Gelenke werden unbeweglicher, Schmerzen entstehen und die Atmung wird flach. Werden diese kleinen Zeichen stetig überhört und eventuell mit Schmerzmitteln dauerhaft ruhiggestellt, kann es über lange Zeit zu einem Schmerzkreislauf kommen, der, je länger er anhält, umso schwerer zu durchbrechen ist.
Da wir alle in unseren eingefahrenen Bewegungsmustern des Alltags verkürzt, verspannt oder zu wenig aufgerichtet sind, habe ich mit KollegInnen einige kleine Übungen als Ausgleich zusammengestellt. Wenn auch die Lösungswege individuell sind, so haben unsere Körper doch die gleiche Anatomie. Und es gibt einige Areale des Körpers, die zu mobilisieren, wahrzunehmen und zu lösen sehr wertvoll ist. Jede kleine Positionsveränderung hat immer einen Einfluss auf das Gesamtnetzwerk Körper – im Positiven wie im Negativen. Ich möchte Sie dazu ermutigen, sich eine Übung auszusuchen und diese eine Woche lang jeden Tag durchzuführen. Sie werden merken, wie gut das tut und wie wenig zeitintensiv es ist. Sie haben Ihre Gesundheit in der Hand.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2022.