Gampl, Johann Peter

Birthday-Eskapaden

für Streichquartett

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Zimmermann, Frankfurt am Main 2006
erschienen in: üben & musizieren 5/2006 , Seite 67

Auf der Homepage des Augsburger Musikpädagogen und Komponisten Johann Peter Gampl (www.gampl.com) ist ein goldener Bilderrahmen zu finden. Bewegt man den Curser auf die leere Bildfläche, dann schießt von unten sein Porträtfoto hinein wie der Seppl ins Kasperletheater – mit leuchtenden Augen und aufgerissenem Mund: Der Mann scheint Humor zu haben.
Seine Birthday-Eskapaden für Streichquartett wurden ursprünglich für „Blechbläserquintett und Feinhörer“ komponiert. Gampl versucht mit diesem launigen Stückchen laut Einführungstext, „die Schwächen einer Melodie allmählich zu entdecken, nachzuentwickeln, zu persiflieren und einer anspruchsvollen Komposition einzuverleiben“. Als musikalisches Vorbild führt er Beethovens Diabelli-Variationen an. Ausgehend von der Melodie von Happy Birthday to you entwickelt der Komponist einen Sonatensatz mit echter motivischer Arbeit, rhythmischer Variation und einer Durchführung. Thementeile wandern durch die Stimmen und werden neu miteinander kombiniert. Allmählich bildet sich immer klarer der originale Themenkopf heraus, der in der Partitur mit dem passenden Text unterlegt wird und von den SpielerInnen auch gesprochen werden kann – damit auch jeder merkt, wovon die Rede ist.
Gampls Birthday-Eskapaden sind leicht spielbar und handwerklich sauber in Musik gesetzt. Esprit oder gar Humor entfalten sie kaum. Zu spröde erscheint der musikalische Satz, zu einfallslos kommen die Tonrepetitionen in der Durchführung und die Imitationen in der Exposition daher. Außerdem stellt sich die Frage, warum die Transformation einer allbekannten, banalen Melodie in die Form eines Sonatensatzes witzig sein soll. Ein Happy Birthday, das man aufgrund der thematischen Umgestaltung kaum mehr erkennt, hat seinen Reiz weitgehend verloren. Und da hilft auch leider die sauberste Verarbeitung nicht weiter. Der kompositorische Ehrgeiz Johann Peter Gampls findet hier nicht das richtige Ziel. Deshalb darf bezweifelt werden, dass die Birthday-Eskapaden zum Partykracher werden, wie es der PR-Text des Verlags verspricht.
Populärer und stimmiger sind hier Peter Heidrichs Happy Birthday-Variationen, die das bekannte Thema im Stil von Bach, Mozart, Wagner und fünf weiteren Komponisten bearbeiten; auch eine Jazzversion findet sich in den Variationen. Hier wird Happy Birthday nur zum Ausgangspunkt genommen, um mit einem Augenzwinkern einen Streifzug durch die Musikgeschichte zu unternehmen. Gampls Birthday-Eskapaden verharren dagegen auf der Stelle. Sie werden von einer einzigen Leitidee durchzogen, die noch dazu keine überzeugende ist. Ein Schlager als Sonatensatz? Da ist das Scheitern fast schon vorprogrammiert.
Georg Rudiger