Wierzyk, Wolfgang

Boogie & Blues Piano

Licks, Begleitpattern und Improvisation, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 66

Schönbergs seiner Harmonielehre vorangestelltes Motto „Dieses Buch habe ich von meinen Schülern gelernt“ hat sicher auch für dieses Lehrwerk Gültigkeit. Wolfgang Wierzyk nutzt die Gelegenheit, seine Boogie & Blues Methode aus dem Jahr 1997 gefiltert durch weitere Unterrichts­erfahrungen zu überarbeiten. Seine Methodik strebt das stilistisch korrekte, letztlich freie Spiel an. Hierzu verwendet er eine Baukasten-Methode, die dem Gegenstand inhärent ist. Ausgangspunkt ist das 12-Takt-Schema mit c als Grundton.
Für die rechte Hand wird eine Fülle von im Schwierigkeitsgrad progressiv angeordneten Licks zur Verfügung gestellt, die zunächst innerhalb einer Strophe kombiniert werden, dann in Folgestücken als Varianten erscheinen und schließlich die Grund­lage für so genannte Ketten bilden: Damit ist das Spielen mehrerer Chorusse hintereinander gemeint. Wierzyks Vorgehen ist sehr systematisch, auf Terzen folgen drown notes, auf slides und crushed notes Tremoli und ending-Formeln. Diese und weitere Begriffe erscheinen in einem kurzen Glossar, sie sind anhand der jeweiligen Beispielstücke erklärt.
Das wichtigste Pattern für die linke Hand bleibt zunächst der Doppelgriff mit Quint-/Sext-Wechsel, ehe Walking-Bässe und weitere Figuren eingeführt werden. Der Autor gibt nützliche Hinweise, richtet sein Augenmerk z. B. auch auf rhythmische Probleme und Fragen des Fingersatzes. Das angestrebte Niveau steigert sich kontinuierlich.
Wierzyk weist selbst auf den Widerspruch hin, eine ohne Noten zu spielende Gattung mittels Noten beibringen zu wollen. Adressat ist also ein der Notenschrift mächtiger Schüler. Nur dieser kann diese Schule auch zum Selbststudium nutzen, angeraten ist der Gang durch das Material unter Anleitung einer Lehrkraft. Freilich soll mit den erlernten Figuren frühzeitig selbstständig umgegangen werden.
Die Begleittexte benötigen pro Übung meist eine halbe Seite, sie enthalten eine Reihe klarer Tipps zum methodischen Vorgehen, zu Schwierigkeiten, zum Umgang mit bislang Erworbenem.
Inhaltlich ist nur wenig Kritik anzubringen: So fehlt der Begriff quick change, die Bildung einer Moll-Blues-Tonleiter mittels Einführung zweier chromatischer Zwi­schentöne vor der Quinte ist nicht plausibel, der #9-Akkord wird nicht aus der Blues-Skala abgeleitet. Auch ist umstritten, ob funktionsharmonische Termini angebracht sind oder bei Blues-Akkorden von dominantischer Spannung zu sprechen ist.
Diese Einwände schmälern den positiven Eindruck dieses Lehrgangs jedoch kaum. Die beigefügte CD enthält fast alle Übungsbeispiele in schnellerer und langsamerer Version, sauber und klar vorgetragen, damit gut geeignet zum Abhören und Nachahmen. Hier gibt es einige wenige Abweichungen zum hervorragend lesbaren Notensatz. Zwar wären mehr Transpositionen und andere Blues-Schemata wünschenswert, doch insgesamt gelingt Wierzyk eine empfehlenswerte Schule.
Christian Kuntze-Krakau