Magidenko, Olga

Boogie op. 79 b / Rock’n’Roll op. 82

für Klavier zu vier Händen und Sirene / für Klavier zu vier Händen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Furore, Kassel 2014
erschienen in: üben & musizieren 1/2015 , Seite 54

Die beiden Stücke sind Auftragswerke der Kulturstiftung Rhein-Neckar-Kreis e. V. und wurden 2002 bzw. 2004 uraufgeführt. Mit Spieldauern zwischen fünf und siebeneinhalb Minuten sind sie nicht gerade kurz. Der Schwierigkeitsgrad ist eher im mittelschweren Bereich anzusetzen. Im Rock’n’Roll sind Oktaven und viele Akkorde in synkopiertem Rhythmus, darunter auch einige großgriffige und polyrhythmische Figuren (7:6, 9:4) zu bewältigen, für die einige rhythmische Erfahrung wünschenswert ist. Insgesamt wird das Stück von einem vielfach wiederkehrenden Bassrhythmus, einer ostinaten Bassfigur und synkopierten Akkorden im Primopart geprägt und entwickelt sich vom leisen Beginn in einem mehr oder weniger fortlaufenden Crescendo bis zum Schluss.
Für die SpielerInnen ist sicher interessant, dass immer wieder auch Klatschrhythmen auftauchen. Der anfangs eher trockene Klang der Staccato-Figuren wird später in Pedalfelder eingebettet, die den Klang im Sinne der dramaturgischen Steigerung massiver werden lassen. Positiv ist zu sagen, dass es trotz der Ostinato-Idee nicht zu schematischen Wiederholungen kommt. Immer gibt es Variationen im Rhythmus, in der „Instrumentation“ (im Wechsel von Spielen und Klatschen), in den Akkorden. Eine nicht nachlassende Präsenz der Ausführenden ist also unverzichtbar. Dann wird das nach Aussage der Komponistin auch „ein bisschen teuflische“  Stück sicher Spaß machen.
Der Boogie entstammt einer Szene aus der Oper Medea der Komponistin, wobei es überrascht, dass ein „lustiges, humorvolles“ Stück (nach Aussage des Titelblatts) in einem solchen thematischen Umfeld angesiedelt ist. In diesem Fall werden zusätzlich zum normalen Spiel auf der Tastatur spezielle Aktionen der SpielerInnen eingesetzt: Spiel mit den Handflächen und  den Fingern auf dem Deckel, klatschen, mit den Füßen stampfen, Glissando auf den Saiten, singen sowie am Schluss ein möglicherweise rhythmisch organisiertes Weglaufen von der Bühne.
Diese Aktionen hätten etwas genauer beschrieben werden müssen. Welche Relevanz hat die Positionierung der Klopfzeichen für die Hände an verschiedenen Stellen des Notensystems? Wo die Spieler von der Bühne weglaufen sollen, wird die rhythmische Notation für beide fortgesetzt. Sollen die Spieler nacheinander weglaufen oder beide zu­sammen, im Laufen den Rhythmus mit den Füßen weiter realisieren oder ist das Ende frei?
Auch in diesem Stück dominiert eine ostinate Bassfigur, bei der aber der 2/4-Takt durch kleine artikulatorische Hervorhebungen einzelner Achtelnoten von einem 3/8-Takt überlagert wird. Zusammen mit den anderen Rhyth­men ergibt sich eine vielschichtige Struk­tur. An neuer Musik interessierte SpielerInnen finden hier sicher eine reizvolle Aufgabe (dafür muss man aber zuerst eine passende Sirene finden).
Linde Großmann