Hecht, Julia

Cello spielen

Eine Einführung für neugierige Erwachsene, Band 1

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henry Litolff's/Peters, Frankfurt am Main 2007
erschienen in: üben & musizieren 2/2008 , Seite 59

„Nein, das schaffe ich nie. Ja, früher… damals gab es ja keine Möglichkeit; heute hätte ich vielleicht Zeit, aber mit meinen alten Knochen…“. Die Liste verbalisierter Schwellenängste vor erneutem Drücken der Schulbank in vorgerücktem Alter ließe sich fortsetzen. Fraglos gehört es zu den wichtigsten pädagogischen Aufgaben, Erwachsenen die Scheu vor dem Wagnis zu nehmen, aus freien Stücken etwas Neues zu beginnen und dabei das Risiko einzugehen, sich schlimmstenfalls vor Kindern als Mit-Lernende outen zu müssen.
Doch allmählich tut sich etwas: Die Vorstellung, lebenslang zu lernen, ist en vogue, und zumal auf musikalischem Gebiet nimmt die Zahl derer, die sich im Erwachsenenalter furchtlos in die Lernstube begeben, erfreulicherweise zu. Insofern sind Publikationen wie die vorliegende sehr zu begrüßen. Julia Hecht ist eine junge Instrumentalpädagogin, die sich auf Klassenunterricht nach der Rolland-Methode und das Unterrichten erwachsener Anfänger spezialisiert hat. Auf ihrer Webseite erweist sie sich zudem als ambitionierte Anbieterin eines „Rund-um’s-Cello“-Pakets.
Ob „neugierige Erwachsene“ allerdings auf ihre Kosten kommen, darf bezweifelt werden. Möglicherweise steigert sich das auf mehrere Bände angelegte Werk zukünftig noch in puncto pädagogischer Esprit. Band 1 indes kommt als verkürztes, bisweilen altbackenes Remake bekannter Celloschulen des Weges. Einziger Unterschied: Es wird gesiezt statt geduzt. Nichts gegen die Verwendung von Volks- und Kinderliedern im Erwachsenen-Unterricht! Das sonstige Repertoire ein- und zweistimmiger bzw. mit Klavierbegleitung zu spielender Stücke präsentiert sich jedoch als Melange teilweise bekannter Nummern aus den gängigen unterrichtsbegleitenden Heften sowie selbstkomponierter Stücke à la Saßmannshaus, Gerhard Mantel & Co., die nur leider nicht so gut sind wie die Originale – von Alternativen wie Sheila Nelson oder gar Bartók nicht zu reden.
Positiv sei vermerkt, dass es sich um einen Lehrgang von der Pike auf handelt. Den Lernenden werden in kleinen Schritten die Technik des Cellospiels ebenso wie Notenkunde und musikalisches Basiswissen nahe gebracht. Dem selbst gestellten Anspruch, innovativ zu sein, kann der Band ungeachtet gelegentlicher Animation zum Improvisieren oder zum Erfinden von Varianten kaum genügen. Neben Instruktionen wie „Achten Sie auf einen schönen Klang“ oder „Verbreiten Sie eine heitere Stimmung“ erscheint der häufig zu lesende Hinweis „Schwingen Sie mit dem Körper mit“ besonders problematisch: Abgesehen davon, dass erfahrungsgemäß SchülerInnen in jedem Alter das Mitschwingen häufig als hinderlich und ablenkend empfinden, sei auf Gerhard Mantels cellopädagogischen Ansatz verwiesen in der Frage, ob das horizontale Ganzkörperschwingen nicht vielmehr als Ausfluss systematisierter Streichbewegungen denn als pseudo-musikalischer Ausdrucksverstärker anzusehen ist.
Gerhard Anders