Kalke, Ernst-Thilo (Hg.)
Children’s Corner
for two Violins, Viola and Cello. Golliwogg's Cakewalk - Debussy/Le Petit Nègre - Debussy/Sur le Pont d'Avi - Kalke
Es gibt heute praktisch keine Golliwoggs mehr in Kinderzimmern und Büchern. Ihre Fanseite im Internet erklärte sie gar zur bedrohten Spezies, nachdem man in Europa gelernt hat, zur Bezeichnung des Andersartigen keine diskriminierenden oder karikierenden Ausdrücke mehr zu gebrauchen. „Neger“ wurden politisch korrekt zu „Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund“ und der Golliwogg, die „Schlenkerpuppe mit schwarzem Gesicht“, verschwand unter dem Generalverdacht der Diskriminierung. Debussy aber hatte die Absicht, seinem englischen Kindermädchen ein Denkmal zu setzen, als er vor einhundert Jahren seine tiefen Eindrücke von der Pariser Weltausstellung zu verarbeiten begann. Und so versah er ein Klavierstück der Sammlung Children’s Corner mit dem Titel „Golliwogg’s Cakewalk“ und überschrieb ein weiteres mit „Kleiner Neger“.
Ihre Ragtime-Rhythmen standen zu Anfang des 20. Jahrhunderts allgemein für das Fremde. Noch heute speisen sie ihre Attraktivität aus dem Crossover-Effekt, sie sind wohl für manchen immer noch etwas, was „eigentlich“ nicht auf die klassische Bühne gehört und ungeheuer Spaß machen kann.
Es ist eine viel zu oft vernachlässigte Erkenntnis, dass es vor allem der rhythmische Appeal einer Komposition ist, der sie Schülern zum Lieblingsstück werden und gern ausdauernd üben lässt! Ernst-Thilo Kalke verteilt diesen rhythmischen Spaß gleichmäßig auf das Streichquartett, seine emanzipierte (und pädagogische?) Stimmführung gibt jedem der vier Spieler Möglichkeiten zu Melodie führendem Spiel auf der einen und würzenden Einwürfen auf der anderen Seite, verpflichtet ihn quasi zum reaktionsbereiten Sitzen auf der Stuhlkante, wenn die Stücke Tempo und Witz haben sollen.
Mit Sur le Pont d’Avi tritt als drittes Stück eine freie Fantasie über das allbekannte französische Lied aus Kalkes eigener Feder zur Sammlung hinzu, das den beiden debussyschen in Witz und Effekt kaum nachstehen dürfte. Lohnend für Bühne und Unterricht!
Regine Schultz-Greiner