Regniet, Matthias Dominik

Chorklassenunterricht

Die Auswirkungen von Chorklassenunterricht auf Konzentrationsfähigkeit, Stressbewältigung, Arbeitsverhalten, Selbstwertgefühl und das allgemeine Schulklima im Rahmen einer zweijährigen Längsschnittstudie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Die Blaue Eule, Essen 2014
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , Seite 49

Den Titel dieser Veröffentlichung lesend ist man gedanklich schon in einer Erwartungshaltung, dass den zahlreichen neurophysiologischen Statements und Appellen ein weiterer positiv argumentierender Baustein zur Begründung der Wichtigkeit des Singunterrichts und des Singen-Lernens hinzugefügt wird. Umso erstaunter ist man, im Resümee des Autors zu lesen: „Nur zwei von fünf Hypothesen konnten durch die zweijährige Längsschnittstudie zu den außermusikalischen Auswirkungen des Chorklassenunterrichts bestätigt werden.“ Eine eher nüchterne Bilanz. Auch der Autor macht keinen Hehl aus seiner Enttäuschung. Kurz zusammengefasst ging es um folgende Aspekte angesichts der Teilnahme von Kindern der Jülicher Realschule an mehrjährigem Chorklassenunterricht: Steigert sich die Konzentrationsfähigkeit? Steigert sich das Selbstwertgefühl in der Schule und außerhalb? Verbessert sich die grundsätzliche Arbeitshaltung? Verbessern sich Stressbewältigung und die Lerntechnik insgesamt? Entwickelt sich ein besseres Klassenklima und verstärkt sich die positive Einstellung zu Schule und wird schließlich auch außerhalb der Schule das Sozialverhalten verbessert?
Anhand der Evaluation wurde deutlich, dass sich das Selbstwertgefühl der Chorklassenkinder merklich verstärkt und stabilisiert hat – und dies sogar im Stadium der Pubertät. Desgleichen stieg die Fähigkeit zu Stressbewältigung signifikant an. Zwei bedeutsame Faktoren, die eine wichtige Funktion bei der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben und gerade im vielbeklagten stressreichen Schulalltag eine stärkende und schützende Rolle spielen können. Die anderen drei Hypothesen ließen sich aufgrund des Forschungsprojekts gar nicht oder nicht ausreichend verifizieren.
Nun ist es ja inzwischen in der Diskussion über die Transfereffekte von vokalem und instrumentalem Musikunterricht zu der Grundüberzeugung gekommen, dass man bei all diesen Überlegungen und Forschungsvorhaben ohnehin zu schnell in die Gefahr der Instrumentalisierung zu geraten droht, worauf der Autor dieser Studie an zahlreichen Stellen hinweist. Jedoch sollte man dieses Buch nicht nur aus dem Blickwinkel des Forschungsprojekts lesen, auch wenn dies den größten Umfang einnimmt. Bemerkenswert und lohnend ist die Lektüre des ersten Abschnitts, in dem der Autor Begriff, Struktur, historische Ausprägung und aktuelle Modelle von Chorklassenunterricht thematisiert und eine sehr luzide Zusammenschau der aktuellen musikpädagogischen Szene entwirft. Dies auf kleinem Raum zusammengetragen zu sehen, lässt Verblüffung über Qualität, Quantität und auch eine gewisse Nachhaltigkeit dieser Arbeit aufkommen.
Thomas Holland-Moritz