Portnoff, Leo

Concertino

für Violine und Klavier op. 23

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Johannes Oertel Verlag/Schott, Mainz 2022
erschienen in: üben & musizieren 2/2023 , Seite 62

Der Anfangsunterricht beinhaltet für Violinlehrkräfte Chancen und Herausforderungen ganz besonderer Art. Wohl zu keinem späteren Zeitpunkt kann man derart prägend Einfluss auf die Instrumentallaufbahn von Kindern und ihren Zugang zur Musik nehmen, zugleich aber auch methodisch und psychologisch höchst fatale Fehler begehen. Zu den wichtigen Aufgaben gehört auch die Auswahl eines ansprechenden, motivierenden und individuell angepassten Repertoires.
Neben technischen Übungen und Studien, Etüden, Liedern, Duos und einfacher Kammermusik gehören Vortragstücke und Schülerkonzerte mit Klavierbegleitung zum Grundkanon. Renommierte Musiker-Pädagogen haben ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spezifisch für diesen letzteren Bereich Literatur komponiert, darunter Ferdinand Küchler, Friedrich Seitz, Oskar Rieding, Jean Baptiste Accolay und eben Leo Portnoff.
Portnoff, geboren 1875 in Kiew, erhielt seine geigerische Ausbildung maßgeblich bei Emanuel Wirth und Joseph Joachim in Berlin. Ab 1906 arbeitete er als Lehrer und Leiter der Violinabteilungen des Stern’schen Konservatoriums und des Klindworth-Scharwenka-Konservatoriums. 1918 übernahm er als Chefdirigent die Leitung eines Symphonieorchesters in Schweden und wanderte 1922 in die USA aus. An der University of Miami unterrichtete er eine Violinklasse und stand dort bis zu seinem Tod 1940 der Violinabteilung vor.
Portnoff war – davon zeugen seine Schriften – ein ausgesprochen origineller, kreativer Pädagoge. Er entwickelte sein eigenes methodisches System und befasste sich unter anderem eingehend mit der Systematik und Optimierung des täglichen Übens. Ein unermüdlich produktiver Komponist methodisch-didaktischer Werke, hinterließ er neben Fantasien, Etüden und kurzen Stücken über 20 kleine Concertinos, gedacht für die allererste Zeit des Violinspiels und in der Regel ausführbar in der 1. Lage, davon am bekanntesten wohl die beiden Werke op. 13 und 14.
Aus diesen Concertinos ist nun dasjenige in G-Dur op. 23 wieder erschienen. Wie alle anderen mir bekannten Stücke Portnoffs zeichnet es sich durch seine Lebendigkeit und kindgerechte, leichte Fasslichkeit aus. Melodik zum Nachsingen, tänzerische Elemente und „virtuose“ Sechzehntelpassagen wechseln sich ab, alles ist – mit gelegentlichen Abstreckungen des vierten Fingers –in der 1. Lage spielbar. So „ganz nebenbei“ übt der Schüler Saitenübergänge, Artikulation, einfache Akkorde, verschiedene Stricharten wie Legato, Détaché und Spiccato. Und im Schlussabschnitt des dreiteiligen Stückchens (Allegro moderato – Marcia funebre – Allegro) geht es dann so richtig „fetzig“ zu. Wer da keinen Spaß hat, dem ist eigentlich nicht zu helfen. Als weiterer Pluspunkt ist zu vermerken, dass der begleitende Klavierpart für auch nur halbwegs versierte SpielerInnen problemlos ausführbar sein sollte.
Fazit: sehr willkommene und gut einsetzbare Unterrichtsliteratur – aber bei Portnoff ist das ja keinerlei Überraschung!
Herwig Zack