Rucha, Barbara

Crashkurs Dirigieren

Schlagtechnik – Probenarbeit – Repertoire – Führungspersönlichkeit, mit DVD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2016
erschienen in: üben & musizieren 1/2017 , Seite 49

Bücher, die sich als „Crashkurs“ einem Thema umfassend zu nähern suchen, hat ganz eindeutig der Zeitgeist geboren: In gedrängt-intensiver Manier wird verheißen, man könne in kürzester Zeit durch eigenes Lesen und Verstehen und unter Verzicht auf  Lehrerkontrolle und praktische Ausübung zum Ziel gelangen. Das mag bei manchen Sachthemen durchaus angebracht sein, aber gelingt ein solches Verfahren auch beim Berufsfeld des ­Dirigierens, dieser unbestritten kompliziertesten und komplexesten Disziplin in der Musik?
Wenn man seine eigene Skepsis überwindet und Barbara Ruchas Crashkurs Dirigieren durchgelesen hat, weiß man zumindest ­eines: Es kann funktionieren, wenn der methodische Weg klar und die äußere Aufmachung bestechend ist. Unter dieser Prämisse ist Ruchas 100-Seiten-Kurs als Tour d’Horizon zum Erlernen von Grundlagen des Dirigierens ein höchst gelungenes Musterbeispiel.
Die übersichtliche Verknappung auf dirigentische Basissegmente wie Taktschlagen, Repertoire, Probenmethodik oder Persönlichkeitsprofile ermöglichen es dem Leser, im Buch zu springen, ohne den „roten Faden“ zu verlieren. Hilfreich hierbei ist das absolut gelungene Layout mit unterschiedlichen Farbcodierungen der einzelnen Kapitel, mit zahlreichen Bildern, anschaulichen Skizzen, grafisch verständlichen Schlagfiguren sowie et­lichen Notenbeispielen, die fast immer durch gezielte Zusatzanmerkungen das im Text Dargestellte erläutern.
Rucha dringt zudem dankenswerterweise auch in Arbeitsfelder vor, die bei der Ausbildung zum Dirigenten oft vernachlässigt werden, weil sie vermeintlich „unkünstlerisch“ sind – etwa Fragen der Organisation, des „Menschelns“ bei Ensembles, der Finanzierung oder des Marketings.
Einen besonderen Charme des Büchleins machen die ständigen Verweise auf die beigefügte CD aus, wo insbesondere Einzelfigu­ren der Schlagtechnik von der Autorin vorgeführt werden („Wie schlage ich den 7/8-Takt?“) – leider dauerhaft in frontaler Kameraeinstellung, sodass der Lernende im Zweifelsfall spiegeln muss. Und vielleicht wäre es besser gewesen, auf den abschließenden Konzertmitschnitt eines Teils aus Mendelssohns Elias zu verzichten, ist doch die Dirigentin Rucha selbst fast die gesamte Zeit mit dem Kopf in der Partitur statt im Ensemble…
Barbara Ruchas Crashkurs Dirigieren wird dennoch ganz sicher jenen eine willkommene Hilfe sein, die noch in der Ausbildung sind oder an der Schwelle zur Übernahme einer Dirigiertätigkeit stehen. Dass man „Dirigieren“ im umfassenden Sinne dann erst im Beruf wirklich lernt, weiß jeder, der es selbst je gemacht hat. Aber auch dann lohnt ab und an ein Blick in ein solch schönes Kompendium, denn Dirigieren ist ein lebenslanges Lernen, das Beherrschen eines soliden Handwerks sowie ein nie endender Kampf um eine beglückend-gültige Aufführung.
Thomas Krämer