Das große Metzler Musik Lexikon

Version 4.0

Rubrik: CD-ROMs
Verlag/Label: United Soft Media, München 2012
erschienen in: üben & musizieren 5/2012 , Seite 64

Vor drei Jahren stellte die Firma Microsoft ihre multimediale Enzyklopädie Encarta ein. Die Begründung lag auf der Hand: Das Nutzerverhalten hat sich in den vergangenen Jahren fundamental verändert: weg von den schwerfälligen, kostenpflichtigen Lizenzprogrammen, die auf dem PC installiert werden müssen, hin zu minütlich vom „Internet-Schwarm“ aktualisierten, kostenlosen und über browserfähige Smartphones erreichbaren Online-Angeboten.
Mit Zähnen und Klauen allerdings verteidigt die Münchner Software-Firma United Soft Media ihr Geschäftsmodell, in Bereichen wie Kunst und Kultur, Natur und Technik, Hobby und Freizeit usw. kostenpflichtige Produkte per Download oder CD-ROM zu vertreiben. Ein Lexikon der Kunst- und Stilgeschichte ist da ebenso im Programm wie Der neue Fischer Weltalmanach oder ein Zitatenhandbuch „für jede Gelegenheit“ – darüber hinaus wurde die Produktpalette von USM in den vergangenen Jahren um Hörspiele erweitert.
Die vierte Version des Metzler Musik Lexikons jedoch atmet nur müde den Hauch längst vergangener PC-Zeitalter. Was auf dem Cover noch mittelmäßig modern und multimedial daherkommt, entpuppt sich nach der langwierigen und nicht fehlerfreien Installation auf einem Windows-PC (185 MB in der Standardversion; 1,1 GB, wenn die DVD nicht im Laufwerk verbleiben soll) im Wesentlichen als Lexikon (10000 Einträge) mit verlinkten mp3-Tonbeispielen. Diese sind von unterschiedlichem Informationsgehalt; die Stichprobe – der Lexikoneintrag „Bratsche“ – lieferte prompt eine kurze Aufnahme einer Violine. Minuspunkt! Beim weiteren Durchstöbern ärgerten einige Schreibfehler und vor allem die stilistisch subjektive Themenauswahl: Tina Turner oder die Pet Shop Boys haben einen Eintrag, aber wer nach Amy Winehouse, Ennio Morricone oder der Komponistin und Thereminspielerin Barbara Buchholz sucht, wird nicht fündig.
„Aktualisiert bis zum 1. März 2012“, hat der Herausgeber auf die Verpackung geschrieben; für Wikipedia-Jünger klingt das schon hoffnungslos gestrig und stimmt auch nur, was die Todesdaten jüngst Dahingeschiedener betrifft. Sonstige Artikelinhalte sind manches Mal veraltet; dass etwa Thomas Quasthoff sich im Januar 2012 offiziell von der Bühne verabschiedet hat, wusste das Lexikon noch nicht.
Und sonst? Eine „Interaktive Orchesterprobe“ ist in ihrer mittelmäßigen Umsetzung schrecklich ärgerlich und birgt keinerlei Erkenntnisgewinn. Und die „Darstellung aller Epochen, Facetten und Stilrichtungen“ schließlich ist so hanebüchen, dass man sie im Schul- oder gar Hochschul­bereich nicht einsetzen sollte.
Dass ein Hersteller einmal erworbene Lizenzinhalte in immer neuen Aktualisierungen verkaufen will, so lange es irgend geht, mag verständlich sein. Im konkreten Fall kann man Schulen, Bibliotheken usw. jedoch nur raten, die immer knapperen Gelder für Neuanschaffungen besser anderswo auszugeben.
Martin Morgenstern