Hofer, Pepi

Das Pferd in der ­Cellostunde

Praktische Beispiele für kind­gemäßen Instrumental­unterricht unter Anwendung der Impact-Pädagogik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 55

Auf die Frage, warum er denn nicht üben konnte, antwortet der achtjährige Emanuele am Telefon: „Es ist zu gefährlich!“ – „Was ist zu gefährlich?“ – „Es ist hochansteckend! […] Mein Cello hat die Cellogrippe!“ – „Da gibt’s nur eins: impfen.“ – „Wie macht man das?“ – „Ganz einfach, ein Cello impft man mit einer C-Dur-Tonleiter und da du dich bereits angesteckt hast, musst du auch dich mit einer C-Dur-Tonleiter impfen.“ Gesagt, getan. Emanuele legt den Hörer auf den Tisch und spielt zwei Mal C-Dur rauf und runter.
Diese spontane sinnliche Didaktik kann man Impact-Technik nennen, was so viel heißt wie: fantasievoller Unterricht, der nicht an den Kindern vorbei lehrt, sondern sich in ihre Welt hineinfühlt und immer nach kleinen Tricks und Kniffen sucht. Instrumentalpädagogische Standardweisheiten? Mag sein. In der Praxis werden sie trotzdem zu wenig beachtet.
Pepi Hofer zeigt, wie ein Unterricht aussehen kann, der sich ernsthaft nach diesen Maximen richtet und dadurch Freude am Cellospiel und langfristige Fortschritte schafft. Um so zu lehren, muss man über die Impact-Theorie eigentlich nichts wissen. Auch Hofer hat diesen Begriff erst im Lauf der Zeit aufgeschnappt, als er seinen frischen und bildlichen Unterrichtsstil schon lange entwickelt hatte. Der theoretischen Erklärung, was es mit „Impact“ auf sich hat, wenn ein Kind sich vorstellt, durch Musizieren ein Pferd anzulocken, werden deshalb zu Beginn des Buchs auch lediglich vier Seiten kompakte Einführung eingeräumt. „Impact-Kommunikation“, heißt es da, „wirkt vor allem durch Bilder, Metaphern und Symbole, die alle Sinne und Areale des Gedächtnisses ansprechen.“
Ein Gebrauchsrezept gibt es dafür natürlich nicht. InstrumentallehrerInnen sollten stets offen und kreativ sein und nicht aufgeben, wenn ein Einfall einmal zu spät kommt. Hofer empfiehlt, Einfälle, ob angewandt oder zu spät in den Sinn gekommen, sofort zu notieren und damit die Aufmerksamkeit zu schärfen. Das Herzstück des Buchs ist somit eine collagenhafte Sammlung von Umsetzungen dieser Theorie. Hofer dokumentiert Unterrichtssituationen, in denen er flexibel auf seine jungen SchülerInnen reagiert und ihnen damit oftmals mehr Spaß am Musizieren vermitteln kann. Er beschreibt dabei knapp die Situation und begründet, warum das Bild oder die Idee für das jeweilige Kind geeignet waren.
Dieses Potpourri ist eine wahre Fundgrube an Anregungen und hübschen Anekdoten. Ein Schüler kommt stolz mit frisch gespitztem Stachel in den Unterricht? Dann wird die Vivaldi-Sonate eben mit unterschiedlich spitzen Stacheln gespielt, statt den Jungen mit trockenen Staccato-Typisierungen zu quälen. Die Mühe, die diese ständige geistige Aufmerksamkeit und Mobilität kostet, zahle sich bei Weitem durch die Freude der Kinder am Musizieren aus, so Pepi Hofer.
Vera Salm