Hesse, Corinna

Das Schumann-Hörbuch

Leben in der Musik. Eine klingende Biografie, mit zahlreichen Zitaten von Schumann und seinen Zeitgenossen sowie über 50 Musikbeispielen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Silberfuchs, Kayhude 2010
erschienen in: üben & musizieren 5/2010 , Seite 58

Robert Schumann hat es geschafft: Er ist einer der wenigen, die rundum – von MusikerInnen, vom Publikum wie von der Wissenschaft – geschätzt werden, insbesondere da durch Veröffentlichung immer neuer Dokumente der Mensch Robert Schumann immer klarer hervortritt. Ein Mensch im Positiven wie im Negativen, ein kompromissloser Künstler zum einen, ein immer wieder der Depression naher Neurotiker andererseits. Die Zahl der CD-Neuveröffentlichungen zum Schumann-Jahr ist kaum zu zählen, ebenso wenig die Zahl der Buchpublikationen zum 200. Geburtstag.
Hier nun also die „klingende Biografie“, eine Collage aus Lebenslauf, Brief- und Tagebuchauszügen und Musik, viel Musik. Mit der Schumann-Fachfrau Ingrid Bodsch stand der Autorin und Regisseurin Corinna Hesse eine äußerst kompetente Beraterin zur Seite, sodass man davon ausgehen kann, dass hier der aktuelle Kenntnisstand zu Grunde gelegt wird. Hesse ist Journalistin, ihr Stil ist klar, schnörkellos, bis hin zur Polemik, wogegen die Originalzitate umso klarer hervorstechen.
Mit seiner sonoren, charaktervollen Stimme bringt Schauspieler und Synchronsprecher Dietmar Mues als Erzähler und in den Schumann-Zitaten ein hohes Maß an Intensität ein. Seine Präsenz ist beeindruckend (seine Kollegin Anne Moll als Clara hat sehr viel weniger Text). Die Klangbeispiele entspringen dem reichen Schatz nur drei etablierter Plattenlabels, mit entsprechend großen Namen, die aber gelegentlich den Sprecher fast erdrücken bzw. von diesem erdrückt zu werden drohen. Mal sind es historisch informierte Einspielungen, auf die zurückgegriffen wird, mal solche in traditionell „moderner“ Manier.
Eine einheitliche Linie hinter dieser Auswahl lässt sich nicht erkennen, außer dass vielfach versucht wurde, die besten existierenden Einspielungen zusammenzuführen. Da hört man Gidon Kremer und Martha Argerich, Anatol Ugorski und Evgeny Kissin, Dietrich Fischer-Dieskau, Matthias Goerne, Peter Schreier und Edda Moser, das Orchestra of the Age of Enlightenment und das Gewandhausorchester Leipzig, die Hanover Band und das Cleveland Orchestra, Leonard Bernstein und John Eliot Gardiner – und viele mehr. Leider mit keinem ästhetisch runden Gesamtergebnis.
Nun mag das vornehmlich den fortgeschrittenen Schumann-Freund stören, der alle diese Einspielungen bei sich daheim hat und bei Bedarf in toto genießen kann. Doch allen anderen HörerInnen muss der Mund einfach wässrig werden bei derart vielen modellhaften Interpretationen, von denen man zwar vielfach kaum mehr als ein paar Minuten zu hören bekommt und dies gelegentlich sogar noch (für manche vielleicht zu stark) überlagert durch gesprochenen Text – doch das Gesamtergebnis macht, und dies ist Ziel dieser Produktion, Hunger auf mehr.
Jürgen Schaarwächter