Schulte im Walde, Christoph

Datenbank Neue Musik

Ein neues Online-Portal hilft künftig auch Laienensembles bei der Suche nach geeigneter Literatur im Bereich zeitgenössischer Musik

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 5/2016 , Seite 40

Zeitgenössische Musik, Partituren lebender KomponistInnen sind schon längst kein Terrain mehr, dem sich ausschließlich professionelle Spezialensembles widmen. Auch semiprofessionelle und Laien-Ensembles zeigen wachsendes Interesse an avantgardistischen Klängen, die ihnen und ihrem Publikum ganz neue Erfahrungen eröffnen, hörend wie spielend. Ein neues Angebot im Internet, die „Datenbank Neue Musik“, wird ab dem 13. Oktober helfen bei der Suche nach Stücken, die zu den jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten der Ensembles vor Ort passen.
Mozart, Mendelssohn und Co. für die Streicher der Musikschule, ein knackiges Jazz-Arrangement für die Brass-Batterie des Jugendorchesters, groovende Musical-Sounds für das kürzlich gegründete Vokalensemble… Wer dafür nach geeigneter Literatur sucht, findet schnell jede Menge Material, das oft über lange Jahre hinweg erprobt wurde und sich bewährt hat. Oft reicht schon das Nachfragen bei KollegInnen. Aber Neue Musik für Schule und Musikschule, für freie Ensembles und Vereine? Da ist so mancher Dirigent, ist so manche Musikschullehrerin bislang weitestgehend auf sich allein gestellt, wenn es um die Auswahl passender Stücke geht.
Genau diese Informationslücke will die „Datenbank Neue Musik“ schließen: ein kostenloses Online-Portal für alle, die sich ganz bewusst auf die Reise in die Welt oft „unerhörter“ Klänge machen möchten. Was aber kann etwa von John Cage oder Charlotte Seither, von Morton Feldman oder Iris ter Schiphorst zu spielen sinnvoll sein für die Schüler-AG am Gymnasium, für den vokalen und instrumentalen Einzelunterricht oder für Kammermusik-Formationen in der Musikschule? Die Datenbank – ein gemeinsames Projekt der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen und des Netzwerks Neue Musik Baden-Württemberg – liefert detaillierte Informationen: zur erforderlichen Besetzung, aber auch über die KomponistInnen, die Entstehungszeit des jeweiligen Werks und eine erste Kurzbeschreibung.
„Die dient sozusagen als Appetizer“, meint Jörg Partzsch, Vorsitzender jenes fünfköpfigen Expertengremiums, das lange und intensiv an der Datenbank gearbeitet hat und auch zukünftig arbeiten wird. Experten, die professionell mit Neuer Musik zu tun haben, die aber auch – und das ist der entscheidende, sie besonders qualifizierende Punkt – in ihrem Arbeitsalltag stets mit musikpädagogischen Aufgaben „an der Basis“ zu tun haben. Sie wissen also, worauf es ankommt, wenn es darum geht, (auch) Neue Musik zu erarbeiten.
Deshalb liefert die Datenbank neben ersten allgemeinen Beschreibungen der jeweiligen Werke objektive Kriterien etwa über deren Schwierigkeitsgrad, dies in Form von Kommentaren. „Sind rhythmische Herausforderungen zu beachten? Sind Proben einzelner Stimmgruppen sinnvoll – oder doch gleich von Anfang an die Arbeit im Tutti-Ensemble? In diesen Fragen haben wir in unserem Expertengremium sehr viel praktische Erfahrung gesammelt“, so Jörg Partzsch. Verlangt das Werk womöglich schauspielerische Fähigkeiten von den InterpretInnen? Und: Wie ist die Musik notiert? Braucht es etwa eine „Bedienungsanleitung“ zur Entschlüsselung grafischer Notation? All diese Aspekte werden in der Datenbank thematisiert – und mit aussagekräftigen Partiturausschnitten illust­riert. Auch hinsichtlich der Zielgruppen finden sich Hinweise: Für welche Alters- und Entwicklungsstufe ist das beschriebene Werk geeignet? Und gelegentlich auch: für welches Publikum? Für dasjenige beim Klassenvorspiel in der Schule oder für ein geistliches Konzert im Kirchenraum? Nicht fehlen werden selbstverständlich Hinweise, wie an Notenmaterial zu kommen ist.
Starten wird die Datenbank mit rund 50 Kompositionen, von denen etliche in den vergangenen Jahren bei Wettbewerben uraufgeführt und prämiert worden sind. „Unser Interesse war es, diese Werke Laien- und Schüler­ensembles zugänglich zu machen, statt dass sie nach der Präsentation in der Schublade liegen bleiben“, beschreibt Katharina Weißenborn vom Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg die Motivation, die Datenbank ins Leben zu rufen. „Und in Trossingen ist bereits das Bundes-Bigband-Archiv angesiedelt. Dahin passt deshalb auch die Datenbank für Neue Musik, für die dort für ein Jahr eine 50-Prozent-Stelle eingerichtet wurde.“ Finanziert wird sie unter anderem von der Baden-Württemberg-Stiftung und der Stiftung LBBW Landesbank Baden-Württemberg. „Sie ermöglichen den Start der Datenbank“, freut sich Katharina Weißenborn.
Der Schwerpunkt der Datenbank liegt anfangs auf Musik für Ensembles ab zwei SpielerInnen. Später kommen aber auch Sololiteratur und Vokalwerke hinzu – das Projekt versteht sich ohnehin als „work in progress“, wird also ständig erweitert.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 5/2016.