Dartsch, Michael / Susanne Richter

Der Cellokasten

Materialien für die Unterstufe

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2011
erschienen in: üben & musizieren 1/2012 , Seite 61

Ein Cellokasten öffnet sich, das komplette cellistische Zubehör purzelt heraus. Mittels eines Silbenrätsels sollen nun Stimmgabel, Kolophonium und Co. wieder in die rechte Ordnung gebracht werden – eine Denksportaufgabe, konzipiert als Entrée für junge User des vorliegenden Unterrichtswerks. Nichts für Kinder im Vorschul- oder frühen Lesealter also. Richtet sich Der Cellokasten eher an ältere Schülerinnen und Schüler?
Ja und nein: Ziel der AutorInnen Michael Dartsch und Susanne Richter war es, SchülerInnen und Lehrkräften einen Fundus an die Hand zu geben, der aufgrund seiner progressiven Anlage ergänzend zu anderen Celloschulen, aber auch selbst im Sinne einer Celloschule eingesetzt werden kann.
Betrachtet man den Cellokasten als reine Materialsammlung, fällt ein Lob nicht schwer: Er enthält eine Reihe attraktiver Stücke, die als Ergänzungen zu verschiedenen Unterrichtssituationen (Einzel- und Gruppenunterricht, Schnupperstunden) willkommen sind. Preziosen wie das Cellostunden-Abschlusslied Wir haben gesungen, die Blumenstory, Fritz, der Hase und andere machen Freude.
Das technische Spektrum reicht von ersten Schritten auf leeren Saiten bis zum Wechsel von ­engem und weitem Griff sowie Chromatik. Weitere Kapitel sind den Themen Musik erfinden (Anleitungen zum Improvisieren), Erkennen und Lesen von Rhythmen und Melodien sowie Haltung und Bewegung gewidmet. Zu Recht verweisen die AutorInnen auf die Problematik, dass Lernschritte häufig nicht ein für allemal gegangen werden, ja sich in Teilaspekten Rückschritte ereignen. Hier bieten Celloschulen oft zu wenig Material. Es bestehe die Gefahr des Weiter­gehens und Abhakens von Stücken, „die die Kinder zwar nach einiger Zeit ,über‘ haben, deren Problematik sie aber nichtsdestoweniger ungelöst weiter mit sich herumtragen“.
So weit, so gut. Wer aber lernt hier? Viele der avancierteren Stücke setzen ein Maß an Griff-, Noten- und rhythmischer Sicherheit voraus, das im Missverhältnis steht zu ihrem musikalischen Anspruch. Fortgeschrittenere SchülerInnen lassen sich nicht mehr ohne Weiteres von kind­lichen Naturidyllen à la Dartsch/ Richter locken. Warum wurde mit Ausnahme weniger Martins- und Weihnachtslieder auf Bekanntes gänzlich verzichtet? Und müssen Kinder wirklich dermaßen zugetextet werden, um neue Lieder spielen zu können? Vielen Texten, die den Stücken/Liedern beigegeben sind, eignet ein leicht verkrampfter Bespaßungs-Gestus. Überdies findet sich Missratenes wie das Lied vom Regenwald, in dem Indianerstämme und mit Froschgift gefüllte Pfeile eine nicht eben anheimelnde und zudem mit falschen Betonungen durchsetzte Kulisse zum Erlernen von Sechzehnteln bieten sollen.
Gemessen an der berechtigten Erwartung, fachliches Know-how aus kompetenter Hand zu erhalten, wirkt Der Cellokasten seltsam undurchdacht, verdächtig konjunkturgeprägt.
Gerhard Anders