Gruhn, Wilfried / Annemarie Seither-Preisler (Hg.)

Der musikalische Mensch

Evolution, Biologie und Pädagogik musikalischer Begabung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Olms, Hildesheim 2014
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , Seite 49

Was der Begriff „musikalische Begabung“ umfasst, hängt entscheidend davon ab, was Generationen von MusikerzieherInnen, MusikpsychologInnen, BiologInnen oder MedizinerInnen in ihn hineingelegt haben. Durchaus einig ist man sich darin, dass musikalische Begabung sich in einem Bündel einschlägiger Leistungsvermögen äußert, die in graduellen Unterschieden zutage treten; besonders umstritten sind hier traditionell das Reizwort „Musikalische Hochbegabung“ und die mit ihm verknüpften Erwartungen.
In diesem breiten Umfeld befassen sich Maria Spychiger und Judith Hechler mit den Kernthemen „Musikalität, Intelligenz und Persönlichkeit“ und erläutern in einer auch fach- und begriffsgeschichtlichen Untersuchung die drei angesprochenen „psychologischen Konstrukte“.  Der Beitrag wendet sich überdies dem Komplex „Musikalisches Selbstkonzept“ und seinen individuellen Konsequenzen zu. Franziska Olbertz widmet sich sodann dem Themenkreis „Hochbegabung, Wunderkinder und Inselbegabungen“ und stellt ihn an drei konkreten Fällen dar.  Andreas C. Lehmann und Hans Gruber fragen in „Zielgerichtete Übung und Begabung“ danach, was Üben in der Musik wohl ausmacht, und ordnen entsprechende Vorstellungen historisch ein.
Über das so weite wie strittige Feld der „Musikalitätstests“ gibt Jan Hemming einen Überblick und kommt zu der Einschätzung, entsprechende Bemühungen seien zwar verdienstvoll und unverzichtbar, doch wiesen wohl „alle verfügbaren Verfahren grundsätzliche Mängel“ auf. Wilfried Gruhn und Gabriele Schellberg fragen nach dem „Erkennen und Fördern musikalischer Begabung bei Kindern“. Sie prüfen und gewichten zu diesem Zweck klassische musikalische Betätigungsfelder von Kindern und Jugendlichen. Heiner Gembris wendet sich dem Thema „Musikalische Begabung und Talent in der Lebenszeitperspektive“ zu und hebt hervor, die musikalische Entwicklungsfähigkeit währe prinzipiell ein Menschenleben lang. Andreas Homann charakterisiert die „Begabungsforschung im Sport“ und bezieht dabei auch sportpolitische Überlegungen ein (Leistungszentren).
Den Abschluss des Buchs bilden Arbeiten zur „Biologie der Begabung“. Björn Merker kommt zu dem Ergebnis, „im Lichte der Biologie“ wirkten hier „sich gegenseitig beeinflussende Faktorengruppen (zusammen), nämlich Genetik, Übung und Berufswahl“. Marianne Hassler geht  „Hormonelle(n) Einflüsse(n) auf die Begabungsentwicklung“ nach und gewährt einen Einblick in einen neueren Forschungszweig. Lutz Jäncke befasst sich mit der „Neurobiologie der Begabung“, während Annemarie Seither-Preisler und Peter Schneider nach „Neurokognitive(n) Aspekte(n) musikalischer Begabung“ fragen: eine perspektivenreiche Studie!
Albrecht Goebel