Fladt, Hartmut

Der Musikversteher

Was wir fühlen, wenn wir hören

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Aufbau, Berlin 2012
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 56

Musik ist nicht eine Sprache, die jeder versteht, sondern eine Sprache, die jeder aus den unterschiedlichsten Gründen auf seine Art wahrnimmt und auslegt. Nun gibt es zur Thematik der Wahrnehmung, des Verstehens und Hörens von Musik bereits sehr differenzierte wissenschaftliche Betrachtungen, und es wäre auch nahe liegend, wenn sich Hartmut Fladt als erfolgreicher und geschätzter Komponist und Musikwissenschaftler auf diesem Pfad bewegen würde. Er wählt jedoch einen direkten und gerade deshalb sehr erfrischenden Weg, nämlich den über die alltägliche Begegnung mit Musik. So erklärt es sich auch, dass hier „der Musikversteher“ und nicht „das Verstehen von Musik“ im Mittelpunkt steht.
Die Beschreibung und Diskus­sion von elf Thematiken rund um die Rezeption von Musik bilden die musikalischen Grundlagen  (I. Teil). So geht es um das Phänomen „Ohrwürmer“, um das Hören von „Laien und Profis“, um „starke Frauen in der Musik“ oder um „Kopf und Bauch – Körpermetaphorik beim Hören und Verstehen von Musik“. Im zweiten Teil des Buchs folgen auf rhythmische, harmonische oder formale Aspekte konzentrierte kurze Analysen nach der traditionellen Methode, die hin und wieder auch durch Notenbeispiele veranschaulicht werden. Sie wirken durch ihre Reduzierung auf wesentliche Parameter wie eine grafische Darstellung und sind auch für Laien verständlich.
Anschließend werden die Kurzanalysen durch informative und kurzweilig zu lesende „notwendige Erweiterungen“ ergänzt. So geht es beispielsweise um  „Herrscher und Herrscherinnen über Hundertschaften“, wobei der Bezug zu den besprochenen Kompositionen nicht immer sofort deutlich wird und damit interpretierbar bleibt. Hier sind es An Englishman in New York von Sting (mit dem Royal Philhar­monic Concert Orchestra), das Scherzo aus der 9. Symphonie von Beethoven und der Walküren-Ritt von Wagner. Dabei wird dem Leser das Auffinden der Musik durch Hinweise auf Webadressen leicht gemacht, sodass die getroffenen Aussagen sofort nachgehört werden können.
Zwischendurch bieten zum Thema passende, kurzweilige, märchenhafte musikalische Geschichten (inspiriert von den Gebrüdern Grimm) immer wieder eine Abwechslung und Auflockerung. Ein Verzeichnis der analysierten Musikbeispiele, ein Sach­- und ein Personenregister erleichtern die Orientierung.
Fladt gelingt es auf eine verständliche, humorvolle und auch spannende Weise, wesentliche Aspekte zum Verstehen von Musik aufzuzeigen und vor allem Querverbindungen und Beziehungen zwischen den Epochen, Gattungen und Stilen anschaulich darzustellen. Er wendet sich vor allem an Nicht-Fachleute, doch erhält auch jeder ­inte­ressierte Pädagoge mit diesem Buch einen reichhaltigen und geistreichen Ideengeber für die Gestaltung von Unterricht.
Romald Fischer