Brockhaus, Immanuel

Der Piano- und ­Keyboardprofi

Jazz – Pop – Fusion. Arbeits- und Lernbuch mit 2 CDs

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Leu, Neusäß 2008
erschienen in: üben & musizieren 4/2009 , Seite 57

Unter den zahlreichen Neuveröffentlichungen im Bereich Pop, Jazz, Rock und Folk ragt diese Publikation in mehrfacher Hinsicht heraus. Der handlich als Ringbuch ansprechend aufgemachte Band besticht durch Aufbau, Vielseitigkeit und Praxisnähe. In seinen Darstellungen und Beispielen orientiert sich Brockhaus an internationalen Standards. Im ersten Teil behandelt das Buch im Wesentlichen die harmonischen Grundlagen, das Akkordmaterial des Jazzpianisten: Dreiklänge, Vierklänge, Funktionsharmonik und Modalität, Voicings, Harmonisation und Reharmonisation. Alle Akkorde werden benannt und mit vielen Notenbeispielen dokumentiert. Zu jedem Voicing/Akkord gibt es verständliche Erklärungen und vielfältige praktische Lern- und Übungsaufgaben.
Melodik und Rhythmik werden sporadisch einbezogen, wo es notwendig ist. Der Autor bemüht sich dabei um subtile Unterscheidung der Spielbereiche Pop, Jazz und Rock. Hier zeigt sich der versierte Kenner der unterschiedlichen Praktiken. Bei allem wird die nötige pianistische Technik nicht vernachlässigt. Viele hilfreiche Hinweise auf effektives Üben helfen den Lernenden weiter. Auch die vielen Literaturhinweise und die Nennung bekannter Songs sind sehr sinnvoll.
Im zweiten Teil geht es vor allem um die Anwendung des vorher Gelernten: Begleitung, Improvisation, Rhythm & Groove, Sound und Spielweisen. Zur Begleitung zählen Spielen rhythmisierter Akkorde, Begleitung unter Einbeziehung der Melodie, Mitspielen in einer Band. Bei der Improvisation liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Melodik. Auf vielen Seiten werden in akribischer Ausführlichkeit sämtliche Skalen dargestellt und in allen Tonarten abgedruckt. Hier hätte man Platz sparen können.
Sinnvoll und für Jazzimprovisation unverzichtbar sind die Herausarbeitung jazztypischer Elemente wie Licks, Patterns, Verzierungen und Outside-Playing. Auch hier besticht die kenntnisreiche Unterscheidung von Pop, Jazz, Blues und Rock.
Im dritten Teil unternimmt Brockhaus etwas Neues: Er nimmt die elektronische und digitale Technik auf ihrem heutigen Stand voll in sein Lehr- und Lernbuch hinein. Das beginnt mit der Darstellung verschiedener Instrumente: Fender-Rhodes-Piano, Wurlitzer-Piano und Hammondorgel. Möglichkeiten und Grenzen dieser Instrumente werden gut dargestellt. Auch Herkunft und Geschichte werden mit einbezogen. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Sounds, unter Beteiligung von Syntesizer, Vocoder und Talk-Box, dargestellt und in ihren Möglichkeiten entwickelt. Alle Instrumente, Spezial- und Zusatzgeräte sind gut durch Fotos sichtbar gemacht.
Ergänzt wird der Band durch Hinweise auf Studioeinrichtungen, Live-Auftritte und Instrumentenwahl. Es gibt Internet-Infos einschließlich Übungsmaterial zum Herunterladen. Listen der 100 bekanntesten Jazz-Standards, mögliche Programmgestaltungen sowie zwei CDs mit allen Tonbeispielen komplettieren diese bemerkenswerte Neuerscheinung. Leider fehlt ein Glossar, denn viele Stammbegriffe dieses riesigen Stoffgebiets werden im Text kaum definiert, sondern vorausgesetzt. Dennoch könnte sich dieses Lehr- und Lernbuch als maßgebendes und richtungsweisendes Standardwerk erweisen.
Otto Junker